Alles, was ich will, bist du
ihre Hand fort. „Meine Taschen habe ich in einem Schließfach am Bahnhof untergestellt“, plapperte sie ohne nachzudenken. „Ich sollte jetzt besser gehen und mir ein Quartier für die Nacht suchen.“
Sie stand auf und wandte sich zur Tür. Ihr rasendes Verlangen jagte ihr so eine Angst ein, dass sie nur noch weglaufen wollte.
Er verschränkte die Arme und sah auf sie herunter. „Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass sie es nicht bis in den nächsten Stock schaffen würden.“
„Sie können mich nicht einfach hier festhalten!“, stieß Gracie erstickt aus. „Das ist Freiheitsberaubung! Ich bin nur hergekommen, um nach Steven zu suchen. Ich habe nichts genommen, und ich weiß nichts über Ihr Geld.“
Rocco betrachtete die Frau vor sich. Noch immer spürte er namenlose Wut auf den Mann, der sie belästigt hatte. Mit aller Macht rief er sich ins Gedächtnis, dass sie nicht mehr als der Schlüssel zu seinem Geld war.
Wieder sah er auf ihre angeschlagenen Knöchel. „Warum haben Sie Ihren Job verloren?“, fragte er, um sich abzulenken.
Ihre schmalen Hände ballten sich zu Fäusten. Sie erinnerte ihn an eine prächtige Wildkatze. In seiner Brust spürte er plötzlich eine seltsame Schwäche. Als sie so selbstvergessen das Essen verschlungen hatte, konnte er seinen Blick nicht von ihr lösen. Nicht nur, weil er keine Frauen kannte, die auf diese Weise aßen, sondern auch, weil sie ihn an ihn selbst erinnert hatte.
Er würde nie vergessen, wie es sich anfühlte, hungrig zu sein.
„Ich hatte Probleme mit einigen Kunden“, murmelte sie.
Erstaunt hob er eine Braue. „Kunden?“
Ihre Wangen färbten sich rosig. „Ich habe in einer Bar in einer ziemlich schlechten Gegend gearbeitet. Nur vorübergehend“, ergänzte sie hastig.
Rocco ballte vor Wut die Fäuste. Er konnte sich sehr gut vorstellen, dass Männer ihre kratzbürstige Art als Herausforderung betrachteten. Mit jeder Minute wurde diese Frau rätselhafter.
Wie aus dem Nichts sehnte er sich plötzlich danach, sie sanft und nachgiebig zu erleben. Gezähmt. Und er wollte derjenige sein, der sie zähmte. Die Heftigkeit seiner Sehnsucht entsetzte ihn.
Habe ich komplett den Verstand verloren? fragte er sich schockiert. Eine Frau wie sie sollte er nicht einmal attraktiv finden!
Um sich zu beweisen, dass er ihr sehr gut widerstehen konnte, kam er ihr einen Schritt näher. Er war schließlich kein Neandertaler! Er hatte seine Triebe unter Kontrolle.
„Sie werden dieses Appartement nicht verlassen, bevor Ihr Bruder …“ Er unterbrach sich mit einem leisen Fluch, dann fuhr er fort: „… falls er überhaupt wirklich Ihr Bruder ist – gefunden und zur Rechenschaft gezogen wurde. Jetzt geben Sie mir den Schlüssel zu dem Schließfach, und ich lasse Ihre Taschen abholen.“
Wenige Minuten später fand Gracie sich in einem prächtigen Gästezimmer wieder. Noch immer wusste sie nicht genau, warum sie nachgegeben hatte, aber sie war so unendlich müde. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie getan, was ein anderer von ihr verlangte, doch ihr fehlte einfach die Energie, noch länger gegen ihn zu kämpfen. Es gab niemanden, den sie um Hilfe bitten und – im wahrsten Sinne des Wortes – keinen Platz, an den sie gehen konnte. Plötzlich wurde sie von einem ganz ungewohnten Gefühl der Einsamkeit überflutet.
„Da ist das Badezimmer. Sie finden dort Handtücher, Bademantel und was Sie sonst noch brauchen. Sobald Ihre Taschen hier sind, bringe ich sie Ihnen.“
Gracie sah sich um. Ihre Augen brannten vor Müdigkeit. Als sie zuschaute, wie Rocco zur Tür ging, beneidete sie ihn um seine unermüdliche Kraft. Hätte sie geahnt, dass sie ihn hier treffen würde, wäre sie nie hergekommen.
Sie seufzte. Zu spät für Reue.
„Morgen früh reden wir weiter“, sagte er an die Tür gelehnt.
„Dann werden Sie mich gehen lassen. Sonst …“
„Sonst was?“, fiel er ihr ins Wort. „Sonst rufen Sie die Polizei?“ Er schüttelte den Kopf und lächelte kühl. „Nein, ich denke nicht. Sie haben genauso wenig Interesse daran, dass die Polizei ihre Nase in diese Angelegenheit steckt wie ich.“
Angespanntes Schweigen breitete sich aus.
Was konnte sie dagegen sagen? Er hatte vollkommen recht, und er kannte nicht einmal die ganze Wahrheit.
Er neigte den Kopf. „Bis morgen, Miss O’Brian.“
Leise schloss sich die Tür hinter ihm. Gracie erwartete fast zu hören, wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Um auszuprobieren, ob er sie eingeschlossen hatte,
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