Alles, was ist: Roman (German Edition)
blank polierten Schuhe eines längst Bankrotten. Diejenigen, die seit Jahren dabei waren – er und Glenda und die anderen –, waren wie Nägel, die man vor langer Zeit in einen Baum geschlagen hatte, der weitergewachsen war, um sie herum, sie waren jetzt Teil davon, darin eingebettet.
Um das Haus wohnlicher zu machen, stellte er die Möbel um. Er verrückte den Tisch und nahm an einem Wochenende aus der Stadt einen Ledersessel mit. Auf den Tisch legte er ein paar Bücher, daneben standen eine Flasche Whisky und ein paar schöne Gläser. Er brachte auch ein paar gerahmte Fotografien von Edward Westen mit, darunter eines von Charis, Westens legendärem Modell und seiner Lebensgefährtin. Er nahm die im Innern der Fenster angebrachten Holzläden ab, verstaute sie in einem der Schränke und brachte stattdessen weiße Leinenvorhänge an, die mehr Licht hereinließen.
Am Morgen aß er ein weich gekochtes Ei. Er legte das Ei in einen Topf mit kaltem Wasser, und wenn das Wasser kochte, war es fertig. Er klopfte es vorsichtig mit dem Messer auf, nahm das Obere ab, tat ein bisschen Butter darauf und aß das noch weiche Eiweiß und warme, flüssige Eigelb mit einem Löffel. Danach las er etwa eine Stunde Zeitung, die er aus der Stadt mitgebracht hatte, und setzte sich dann an ein Manuskript. Sein Leben schien einfacher und in dem kargen Haus fast ein wenig bußfertig. In der Woche darauf brachte er einen Navajo-Teppich mit, den er noch im Schrank gehabt hatte, und fühlte sich ein wenig heimischer.
Unter den Ersten, die er in Tivoli kennenlernte, waren ein Professor, Russell Cutler, und seine Frau Claire, eine lebhafte Person mit einem leichten Lispeln. »Ganz unter uns«, sagte sie vernuschelt. Cutler hatte einige wissenschaftliche Bücher veröffentlicht und arbeitete jetzt an einem Kriminalroman, allerdings nicht ohne Probleme. Seine Frau las jede Seite und strich heraus, was ihr missfiel oder in ihren Augen sexistisch klang. Sie hatte einen langen Hals und schmale Hände, und an dem Abend, als Bowman zum Essen kam, glitt ihr der Sari von der Schulter. Sie aßen an einem großen Esstisch mit einer dunkelgrünen, gemusterten Tischdecke, die einzelnen Gänge waren auf Kärtchen geschrieben, und als Dessert hatte sie sogar zwei verschiedene Obsttörtchen besorgt. Auch zu Gast war ihre Freundin Katherine, mit einem auffälligen, katzenartigen Gesicht, die der Gastgeberin in der Küche half. Am Tisch schien sie weniger zurückhaltend als aufmerksam – fast als wartete sie auf irgendeine Neuigkeit – gegenüber dem, was Bowman zu sagen hatte.
»Wie mir Claire erzählt, sind Sie Lektor«, wagte sie sich schließlich vor.
»Ja.«
»In einem Verlag.«
»Ja, ich arbeite an Büchern.«
»Das muss ein wunderbares Leben sein.«
»Ja und nein. Was machen Sie?«
»Ach, ich bin nur Sekretärin hier am Bard. Aber ich liebe New York. Ich fahre so oft hin, wie ich kann.«
Sie war irgendwie am Bard gelandet. Sie war nach New York gegangen, nach ihrer Scheidung, das hatte sie schon immer gewollt, hatte aber keinen Job gefunden, der ihr gefiel. Sie wohnte bei einer Freundin, einer Französin, die Malerin war und gesagt hatte, wenn du nach New York kommst, musst du bei mir wohnen, aber als Katherine einzog, sagte sie, sie müsse ihr etwas Geld für die Miete abnehmen.
»Ja, natürlich«, hatte Katherine gesagt.
Das sagte sie immer. In Houston wurden ihre Möbel verpfändet. Ja. Natürlich. Es war eine aristokratische Grundhaltung, das Unglück tat sie ab. Sie war eine vorbildliche Sekretärin, hübsch angezogen, hilfsbereit und effizient. Es war ihr Aussehen und die Möglichkeiten, die es eröffnete. Sie liebte Geschichten. Sie liebte es, Leute nachzumachen. Sie erinnerte sich an alles. Obwohl sie wie eine Frau schien, die sich vor allem für Kleider und Partys interessierte, war ihre wahre Leidenschaft das Lesen. Sie liebte Bücher – mehr als jeder andere. Sie las zwei oder drei in der Woche. Sie kam von der Buchhandlung mit einer Tüte voll nach Hause, und noch während sie sich die Schuhe auszog, fing sie mit dem ersten an. Und wenn Deborah – das Mädchen, mit dem sie sich die Wohnung teilte – spätabends nach der Orchesterprobe nach Hause kam, las sie immer noch. Ihr eigenes Leben behandelte sie wie eine Tragikomödie, aber die Literatur nahm sie ernst. Insgeheim träumte sie davon, Schriftstellerin zu werden, aber darüber sprach sie nicht.
Am nächsten Morgen in dem kleinen Lebensmittelladen in Germantown sah Bowman
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