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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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am College. Heute Abend.«
    »Ich hab nicht darüber nachgedacht. Gehen Sie?«
    »Ja.«
    »Vielleicht sehen wir uns ja da.«
    Sie überlegte bereits, was sie anziehen würde. Sie entschied sich für ein bestimmtes sommerliches Kleid.
    »Wie hat Ihnen das Essen geschmeckt?«, fragte sie, als er die Rechnung bezahlte. »Hier, lassen Sie mich selbst zahlen.«
    Sie fand ihr Portemonnaie, aber er legte die Hand darüber, auch über die Scheine, die sie herauskramte.
    »Nein, nein«, sagte er. »Das Essen geht auf mich. Verleger zahlen immer für das Essen.«
    Sie hatte ein gutes Gefühl, als sie sich erhoben, als könnte sie sich selbst umarmen. Sie fühlte, dass er sie als Frau mochte. Das war unverkennbar. Sie hatte das Gefühl, sie würden gut miteinander auskommen, obwohl er gegen Ende etwas abrupt war – es lag wahrscheinlich daran, dass sie ihn noch nicht gut kannte.
    Der Tag war warm gewesen. Draußen war es noch hell, während die letzten Besucher hereinkamen und versuchten, einen freien Platz zu finden. Der Saal war so gut wie voll. Wie ein einsamer Vogel, der sich von der Schar erhebt, winkte eine Hand inmitten der Zuhörer. Sie hatte ihm einen Platz frei gehalten. Schließlich wurde Susan Sontag auf einer Welle von Applaus auf die Bühne getragen, eine dramatische Gestalt in Schwarz-Weiß – schwarze Hose, rabenschwarzes Haar mit einer breiten weißen Strähne – und ein unerschrockenes, scharfkantiges Gesicht. Sie redete eine halbe Stunde über Film. Viele Studenten machten sich Notizen. Katherine hörte aufmerksam zu, das Kinn leicht nach vorne gereckt. Auf dem Weg nach draußen fragte sie ihn fast vertraulich:
    »Und? Was sagen Sie?«
    »Ich hab mich gefragt, was die ganzen Mädchen geschrieben haben.«
    »Alles, was sie gesagt hat.«
    »Ich hoffe doch nicht.«
    Vor der Tür trafen sie auf Claire, die sie freudig begrüßte.
    »War das nicht großartig?«, rief sie.
    »Es war schon ein Erlebnis«, stimmte Bowman ihr zu. Er würde gerne etwas trinken, sagte er.
    »Soll ich mitkommen?«, fragte Claire gleich.
    »Sicher«, sagte er.
    Sie fuhren in zwei Autos – Claire fuhr mit Katherine –, sie wollten ins Madalin Hotel, das im Zentrum von Tivoli lag und eine gute Bar hatte. Bowman traf nach ihnen ein. Er parkte vor seinem Haus und ging die zwei Blocks zu Fuß.
    Es war Wochenende, und die Bar war brechend voll. Claire redete weiter über Susan Sontag. Was hielten sie von ihr – sie meinte, was Bowman von ihr hielt.
    »Sie ist wie eine Gestalt aus dem Alten Testament«, sagte er.
    »Sie ist eine so kraftvolle Person. Das spürt man gleich.«
    »Alle kraftvollen Frauen lösen Ängste aus«, sagte er.
    »Glauben Sie das wirklich?«
    »Es geht nicht darum, was ich glaube, sondern was man im Allgemeinen denkt.«
    »Sie auch?«
    »Alle Männer.«
    Sie war ein wenig betroffen. Es klang so chauvinistisch.
    »Ich finde, sie hat ein paar sehr interessante Dinge über den Film gesagt.«
    »Den Film«, sagte er.
    »Dass er die höchste Kunstform des zwanzigsten Jahrhunderts ist.«
    »Ja, das hat sie gesagt. Ich denke, es stimmt wohl. Es klang nur ein wenig extrem.«
    »Wurden Sie denn noch nie von einem Film in eine andere Welt versetzt? Das vergisst man nie.«
    Er hörte zu und erkannte jetzt, was es war, ein leichtes ›ß‹ auf dem ›z‹, als würde sie ihre Zungenspitze nicht schnell genug zurückziehen. Sie hatte »versetzßt« gesagt.
    »Als sie meinte, wenn Wagner heute leben würde, wäre er Filmregisseur, war das nicht unglaublich?«
    »Unglaublich ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich frage mich auch, warum sie Wagner herausgepickt hat. Sie hat zu viele ausgelassen. Was ist mit Mozart?«
    »Ja. Da haben Sie wohl recht«, stimmte Claire ihm zu.
    »Tanzen ist wichtiger als Film«, sagte er.
    »Meinen Sie Ballett?«
    »Nein, nur tanzen. Wer tanzen kann, kann glücklich sein.«
    »Jetzt nehmen Sie mich aber auf den Arm.«
    »Nein.«
    Sie redeten und tranken. Katherine ärgerte sich, dass Claire mitgekommen war und dass sie nicht aufhörte zu reden. Oh, Claire, sagte sie mehrere Male oder ignorierte sie. Der Lärm in der Bar war ohrenbetäubend.
    Claire wechselte das Thema.
    »Wofür interessieren Sie sich so?«, fragte sie Bowman.
    »Wofür ich mich interessiere?«
    »Ja.«
    »Warum fragen Sie?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Na ja, ich interessiere mich für Architektur, Malerei.«
    »Ich meine privat.«
    »Was meinen Sie mit privat?«
    »Was ist mit Frauen?«
    Es folgte eine kurze Pause, dann musste er

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