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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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sagte sie, verstand sie nicht, warum.
    »Als junges Mädchen dachte ich, er wäre die ganze Zeit hart.« Sie lachte über ihre Naivität. »Aber eines hab ich gelernt, das Wichtigste von allem.«
    »Ja?«, sagte Katherine. »Was?«
    »Willst du es wirklich wissen?«
    »Ja. Sag es mir.«
    »Gib einem Mann niemals alles von dir«, sagte Nadine. »Sie erwarten es dann nur.«
    »Ja, das ist genau mein Fehler.«
    »Man kann sich nie entspannen«, sagte Nadine. »Natürlich, manchmal kann man nicht anders, aber gut ist es nie.«
    All das erzählte Katherine Bowman, während sie Austern aßen und etwas tranken. Sie vertraute sich ihm an. Sie liebte es, mit ihm zu reden.
    »Wolltest du je selber schreiben?«
    »Nein. Als Lektor macht man im Grunde auch das Gegenteil. Man muss sich den Werken anderer öffnen. Es ist nicht dasselbe. Ich kann schreiben. Früher wollte ich mal Journalist werden. Ich kann Klappentexte schreiben, aber nichts mit wirklichem Glanz. Dafür muss man die Werke von anderen ausblenden können.«
    »Und gibt es Schriftsteller, die du besonders magst?«
    »Was meinst du?«
    »Mit denen du gearbeitet hast?«
    Nach einem kurzen Moment sagte er:
    »Ja.«
    »Wer?«
    »Die Schriftstellerin, die ich am meisten schätze, lebt in Frankreich. Sie lebt dort schon seit Jahren. Ich sehe sie nur hin und wieder, aber es ist immer eine Freude. Sie ist eben das, was man das Wahre nennt.«
    »Sie muss wunderbar sein«, gelang es Katherine zu sagen.
    »Ja. Passioniert und wunderbar.«
    »Wer ist sie?«
    »Raymonde Garris.«
    Katherine kannte den Namen. Sie fühlte sich wie erdrückt. Es schien der Name einer unbeschreiblich faszinierenden Frau. Es wäre wunderbar, sie kennenzulernen, irgendeinen von ihnen kennenzulernen. Und dann, eines Abends, trafen sie Harold Brodkey in einem Restaurant, der die lange Erzählung über Orgasmen geschrieben hatte. Harold Brodkey! Sie konnte kaum warten, Claire davon zu erzählen.
    Oder zu erzählen, dass sie in der Frick Collection waren.
    Sie trug ein Paar neue rote Schuhe, die ihr zu eng waren. Sie musste sie auf der Toilette kurz ausziehen.
    »Hat es dir gefallen?«, fragte er beim Rausgehen.
    »Ja. Es war herrlich«, sagte sie. »Und man kann so viel lernen.«
    »Was meinst du?«
    »Ich weiß nicht. Was man anzieht, wenn man ein Porträt von sich malen lässt. Wie man einen Hund hält.«
    Er sah sie irritiert an.
    »Weißt du, ich weiß überhaupt nichts über Kunst«, sagte sie. »Ich weiß nur, was du mir erzählst.«
    Sie meinte es nicht ironisch. Sie mochte männliche Autorität, besonders seine.
    »Nadine wird beeindruckt sein, dass wir hier waren. Sie glaubt, ich gehe nur in Bars, wo mir dann der Rock hochrutscht.«
    Sie traten in den frühen Abend. Sie hatte sich bei ihm untergehakt. Der Himmel, ein dunkles, verregnetes Blau, war kaum mehr erhellt, nur in den Wolken hielt sich ein schwaches Leuchten. Auf der Fifth Avenue und jenseits des Parks brannten in allen Gebäuden Lichter.
    Später im Herbst traf sie ihn an einem Freitagabend in der Bar des Algonquin, wo er gerne hinging. Es war ein kleiner Raum, mehr wie ein Club, direkt hinter der Rezeption und um diese Zeit oft recht voll. Im Hotel war es, als gäbe es eine riesige Party, von überall aus den Aufzügen und Zimmern strömten die Menschen, und die Bar war wie eine Art Refugium, etwas ruhiger, wenn auch ebenfalls recht voll. Viele der Männer trugen Anzug und Krawatte. Sie hatte gerade Marguerite Duras’ Der Liebhaber gelesen und erzählte davon.
    »Mein Gott, hat dich das Bild von dem Mädchen auch so bewegt? Auf der Fähre in dem sepiafarbenen Seidenkleid. Das war sie selbst, Marguerite Dura.«
    »Dura s «, sagte Bowman.
    »Dura s ? Sagt man so?«
    »Ja.«
    »Ich dachte, man würde das ›s‹ am Ende nicht sprechen«, klagte sie.
    Er konnte nicht umhin, gerührt zu sein.
    »Bowman?«, hörte er jemanden hinter sich rufen. »Bist du das?«
    Es folgte ein herzhaftes Lachen.
    »Mein Gott«, rief Bowman.
    »Entschuldigen Sie, aber sind Sie nicht Phil Bowman?«
    Schlaksig, grinsend, etwas älter und mit einem kleinen Bauch stand Kimmel vor ihm. Bowman spürte eine unerklärliche Wärme in sich aufsteigen.
    »Hab ich es nicht gesagt?«, sagte Kimmel zu der blonden Frau neben sich.
    »Was machst du hier?«, sagte Bowman.
    Kimmel lachte erneut und beugte sich mit gespreizten Ellbogen vor.
    »Kimmel, was zur Hölle machst du hier?«, sagte Bowman wieder. »Ich kann es nicht glauben.«
    »Wer ist das?«, sagte Kimmel, ohne auf

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