Alles, was ist: Roman (German Edition)
ihn auf eine Party zu begleiten. Sie hoffte, es würde mehr als eine Party werden. Der Lauf der Dinge schien günstig. Er traf sich mit niemand anderem, das wusste sie, und Weihnachten war wie Mardi Gras, auf Partys konnte alles passieren, und die Partys um Weihnachten waren anders, sie waren fröhlicher, mit mehr Gefühl.
Für den Tag, an dem sie fuhr, war Schnee vorausgesagt worden, was das Ganze noch perfekter machte. Vielleicht würde sie an dem Abend gar nicht zu Nadine zurückkehren können. Vielleicht trug sie am Morgen seinen Bademantel, und sie würden gemeinsam aus dem Fenster über die weiße Stadt blicken.
Wegen des Schnees durften alle früher nach Hause gehen. Sie beeilte sich, um nach Hause zu kommen. Es hatte bereits angefangen zu schneien. Sie hätte niemals gedacht, dass ihr der Schnee in die Quere käme. Deborah kam herein und erzählte, der Schnee liege bereits zehn Zentimeter hoch, der Bus, der um vier fahren sollte, sei schon verspätet. Eine Stunde später musste Katherine in der Stadt anrufen und sagen, dass sie es nicht schaffen würde.
»Oh nein«, rief sie. »Es ist so furchtbar.«
»Es ist nur eine Party«, sagte Bowman, nicht wissend, was alles geplant war. »So wichtig ist es nicht.«
»Doch, ist es«, jammerte sie.
Sie war todunglücklich. Nichts konnte sie trösten.
An dem Abend fiel in New York heftiger Schnee, ein richtiger Sturm zog auf. Gäste verspäteten sich zur Party, einige hatten beschlossen, zu Hause zu bleiben, aber viele waren gekommen. Mäntel und Frauenstiefel häuften sich im Schlafzimmer. Jemand spielte Klavier. Der Busbetrieb sei eingestellt worden, erzählte ein anderer. Der Raum war voller Menschen, es wurde geredet und gelacht. Platten mit kaltem Buffet wurden auf einer langen, zur Küche hin offenen Theke bereitgestellt. Ein ganzer Schinken mit brauner, glänzender Kruste wurde in Scheiben aufgeschnitten und gleich verzehrt. Im Fernsehen berichteten zwei Nachrichtensprecher, ein Mann und eine Frau, über den Verlauf des Sturms, doch bei dem Lärm konnte man sie nicht hören. Es herrschte eine merkwürdig unwirkliche Atmosphäre, während der Schnee immer dichter wurde. Es war fast unmöglich, bis zur anderen Straßenseite zu sehen. Man sah nur die verschwommenen Lichter der Apartments durch das treibende Weiß.
Bowman stand am Fenster, im Bann vergangener Weihnachten. Er erinnerte sich an den Winter während des Kriegs auf See, fern von zu Hause, der Armeesender spielte Weihnachtslieder, »Stille Nacht«, und alle dachten an früher. So tief nostalgisch und voll hoffnungsloser Sehnsucht war es das romantischste Weihnachten seines Lebens gewesen.
Jemand stand hinter ihm und blickte ebenfalls schweigend hinaus. Es war Ann Hennessy, Baums frühere Assistentin, die jetzt in der Presseabteilung arbeitete.
»Schnee an Weihnachten«, bemerkte Bowman.
»Ja, das war immer schön.«
»Sie meinen, als Kind?«
»Nein, immer.«
In der Küche wurde gelacht. Ein englischer Schauspieler kam gerade in einem pelzbesetzten Mantel von seiner letzten Aufführung zur Tür herein. Der Gastgeber ging, um ihn zu begrüßen und sich von ein paar anderen Gästen zu verabschieden, die fürchteten, ansonsten nicht mehr nach Hause zu kommen.
»Ich glaube, ich werde ebenfalls gehen, bevor es schlimmer wird«, beschloss Bowman.
»Ja, ich denke auch«, sagte sie.
»Wie sind Sie unterwegs? Ich werde wohl versuchen, ein Taxi zu bekommen. Soll ich Sie irgendwo absetzen?«
»Nein, nicht nötig«, sagte sie. »Ich nehm die Subway.«
»Also, ich glaube nicht, dass Sie heute die Subway nehmen sollten.«
»Ich nehm sie immer.«
»Es könnte zu Verspätungen kommen.«
»Ich muss von der Station aus nur einen Block laufen«, sagte sie, um ihn zu beruhigen.
Sie ging, um sich von dem Gastgeber und seiner Frau zu verabschieden. Bowman sah, wie sie ihren Mantel holte. Sie zog einen farbigen Schal aus dem Ärmel und schlang ihn sich geübt um den Hals, setzte sich eine Wollmütze auf und schob ihr Haar darunter. Er sah, wie sie den Kragen hochstellte, als sie in den Flur ging. Er stand am Fenster, um sie auf der Straße unten vorbeigehen zu sehen, aber sie blieb anscheinend dicht am Haus und zog alleine fort.
Tatsächlich war sie nicht wirklich allein. Sie hatte seit einigen Jahren eine Beziehung mit einem Arzt, der seine Praxis aufgegeben hatte. Er war brillant – sie könnte sich nie in einen Mann verlieben, der nicht intelligent war –, aber labil, mit ungeheuren
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