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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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Tropfen fiel auf ihre Haut, sie hob das Handgelenk und leckte ihn auf.
    »Ich habe den falschen Mann geheiratet«, sagte sie.
    Sie lag mit dem Gesicht nach unten, und er kniete zwischen ihren Beinen, lange, wie es schien, dann rückte er sie beide etwas zurecht, ohne Eile, als würde er ein Stativ aufbauen. Das frühe Licht fiel auf ihre Haut, sie war makellos, ihr schöner Rücken, die Rundung ihrer Hüften. Sie fühlte, wie er langsam in sie drang, sie griff nach unten, er war da, wurde ein Teil von ihr, der langsame, tiefe Rhythmus begann, veränderte sich kaum, wurde nur nach und nach intensiver. Auf der Straße war es vollkommen still, in den benachbarten Zimmern schliefen die Menschen. Mit einem Mal stöhnte sie auf. Er versuchte, sich zurückzuhalten, es zu verhindern, damit es weiterging, aber sie zitterte wie ein Baum, kurz bevor er fiel, ihre Schreie sickerten unter der Tür hindurch.
    Sie erwachten um kurz nach neun, die Sonne tauchte die eine Wand in volles Licht. Sie kam aus dem Bad und legte sich wieder ins Bett.
    »Enid.«
    »Ja?«
    »Kann ich dich etwas Praktisches fragen?«
    »Was meinst du?«
    »Ich habe nichts benutzt«, sagte er.
    »Also, sollte etwas passieren … Sollte etwas passieren, sage ich, es wär von ihm.«
    »Schlafen Männer, die eine Affäre haben, noch mit ihren Frauen?«
    »Ich würde sagen, ja. Na ja, in diesem Fall nicht. Er hat mich seit einem Jahr nicht mehr angefasst. Mehr als ein Jahr. Ich denke, das merkt man auch.«
    »Ach, ich dachte, das wäre ich.«
    »Bist du auch.«
    Draußen strömte die Sonne auf sie herab. In der großen Kathedrale wurden die Überreste von Kolumbus in einem prachtvollen Sarg von den Statuen der vier Könige von Aragon, Kastilien, León und Navarra getragen, in der Schatzkammer lag noch immer Gold und Silber aus der Neuen Welt.
    Sevilla war die Stadt von Don Juan, von Andalusien, dem Land von García Lorca. Dunkles Haar, dunkle Brauen und ein klares Gesicht wie das einer Frau. Er war homosexuell und ein Engel der Wiedererweckung Spaniens in den 1920er und 30er Jahren, Bücher und Stücke, angefüllt mit einer reinen, schicksalhaften Musik, farbenprächtige Gedichte von heftigen Gefühlen und verzweifelter Liebe. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, aber sein Mitgefühl und seine Liebe gehörten den Armen, den Männern und Frauen, die ihr Leben auf den glühenden Feldern verbrachten. Er verachtete die Kirche, die nur wenig für sie tat, der Stückeschreiber und Freund der Zigeuner, dessen erste Liebe der Musik galt und der in seinem Zimmer im Haus vor der Stadt Klavier spielte. Seine Farbe war Grün, aber auch Silber, die Farben des Wassers in der Nacht und der weiten Ebenen, die mit ihm berieselt und fruchtbar gemacht wurden.
    Der Ruhm des Dichters, wenn er sich zeigt, ist wie kein anderer, und genau so geschah es mit Lorca. Er wurde 1936 gleich zu Beginn des Bürgerkriegs getötet, von rechtsgerichteten Landsmännern verhaftet und hingerichtet und in einem namenlosen Grab vergraben, das er selber ausheben musste. Sein Vergehen war alles, was er geschrieben hatte und wofür er stand. Die Zerstörung der Besten bestätigt sie. Und für den Tod, wie Lorca sagte, gibt es keinen Trost, was eine der Schönheiten des Lebens ist.
    Unter seinen größten Gedichten ist ein Klagelied für einen Freund, einen Stierkämpfer, der sich von der Arena zurückgezogen hatte, dann aber im Gedenken und als Hommage an seinen Schwager, den großen Joselito, noch einmal auf den Platz zurückkehrt. In einem engen, bestickten Anzug, vielleicht ein wenig zu eng, kämpfte er in einer Arena auf dem Land, als ein Schrei durch die Menge ging. Das scharfe, gebogene Horn des Stiers hatte die enganliegenden Hosen und das weiße Fleisch darunter wie ein Messer durchstoßen.
    Zwei Tage nachdem er durchbohrt worden war, Lilienblüten um die grünen Leisten , starb Ignacio Sanchez Mejías in einem Krankenhaus in Madrid, wo er auf eigenen Wunsch hingebracht worden war. Mit tiefen liturgischen Klängen wie Glockengeläut beginnt die berühmte Klage, A las cinco de la tarde , um fünf Uhr am Nachmittag. Der dem Tode geweihte Mann liegt noch im zerrissenen Anzug in dem kleinen Krankenzimmer.
    Um fünf Uhr am Nachmittag.
    Die Zeilen wiederholen sich, immer und immer wieder. Ein Junge bringt ein weißes Leintuch um fünf Uhr am Nachmittag. Das Bett ist ein Sarg auf Rädern, um fünf Uhr am Nachmittag. Von Ferne kommt bereits der Eiter, um fünf Uhr am Nachmittag. Die Wunden brennen wie

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