Alles, was ist: Roman (German Edition)
Sonnen, um fünf Uhr am Nachmittag, und die Menge zerschlägt die Fenster.
Du hast gelebt, sagte Lorca, indem du starbst und man sich deiner erinnerte. Mejías Tod im Jahr 1936 war wie eine Vorbereitung auf seinen eigenen Tod, angekündigt, aber noch unbekannt. Der heftige Sturm, der das Land zerreißen würde, war bereits aufgezogen. Der Junge kam mit dem weißen Leintuch, der Korb mit Kalk stand bereit, während die glattgestrichene Erde im Schatten auf dem Platz lag.
Er las die Klage um Ignacio Sánchez Mejías zum ersten Mal vor einer Runde Zigeuner während der Semana Santa und schlief in dem großen weißen Bett eines Zigeunertänzers, die einsame Rose deines Atems auf meiner Wange .
Sie aßen an dem Tag in einem Restaurant oberhalb einer Bar mit einer schmalen Treppe, über die die Kellner ihre Tabletts brachten. Es war an der freien Luft, es gab keine Wände, nur ein Leinendach. Sie hatten einen Tisch an der Seite, aber mit ihr wurde man immer von allen gesehen. Unter ihnen lag der träge Fluss.
»Was sind almejas ?«
»Wo steht das?«
»Hier«, sagte er. »Almejas a la casera.«
»Keine Ahnung.«
Sie bestellten gebratene pescadilla , kleine Fische, und Kartoffeln. Selbst durch das Leinendach war die Hitze der Sonne spürbar. Alle Tische waren besetzt, an einem saß eine Gruppe Deutscher.
»Das ist der Guadalquivir«, sagte Bowman und zeigte nach unten.
»Der Fluss.«
»Ich mag den Namen. Deinen Namen mag ich auch.«
»Die berüchtigte Mrs Armour.«
»Ich fass dich auch gerne an.«
»Ja. Ich weiß.«
»Das weißt du?«
»Hm.«
Sie fuhren weiter nach Granada. Das ausgedörrte Land trieb hinter seinem Spiegelbild im Zugfenster vorbei. Hügel, Täler, Tausende um Tausende von Olivenbäumen. Enid schlief. Vielleicht durch einen Traum oder etwas anderes Unerwartetes gab sie ein kurzes Schnarchen von sich wie ein Kind, nur ein Mal. Sie hatte nie friedlicher ausgesehen.
Auf einem kleinen Hügel in der Ferne, nahe eines Dorfes, stand ein weißes Haus umgeben von Bäumen, ein Haus, in dem er mit ihr wohnen könnte, das Schlafzimmer ging auf den stillen Garten hinaus, kühl und grün, Türen führten auf den Balkon, Morgen der Liebe, die Sonne fiel seitlich auf den Boden. Sie würde baden, bei offener Tür, und abends würden sie in die Stadt fahren – er hatte keine Ahnung, in welche, eine in der Nähe, sie waren alle magisch – und dann durch die tiefe sternenklare Nacht zurück.
Gleichzeitig war er sich ihrer nicht sicher, das konnte man einfach nicht sein, vor allem, wenn sie schweigsam war oder sich zurückzog. Er hatte das Gefühl, er wäre der Grund für ihre Gedanken, oder schlimmer noch, er hätte nicht einmal teil daran. Manchmal streifte ihn ihr Blick, prüfend, wie er fand. Er wusste seine Angst zu verbergen, aber ihre Gefasstheit machte ihn nervös. Dann wieder zog sie los, um etwas zu besorgen, zur Apotheke oder ins Konsulat – sie kam nicht einmal auf den Gedanken, ihm zu sagen, warum sie ins Konsulat gegangen war –, und plötzlich hatte er das sichere Gefühl, dass sie abreisen würde, dass er ins Hotel zurückkäme und ihre Taschen wären fort, der Portier an der Rezeption wüsste von nichts. Er würde auf die Straße rennen und nach ihr suchen, ihr blondes Haar in der Menge.
Die Wahrheit ist, bei manchen Frauen ist man sich niemals sicher. Sie waren zehn Tage gereist, und er glaubte, sie zu kennen. Wenn sie im Zimmer waren, kannte er sie, meistens, oder wenn sie an der kastaniendunklen Bar im Hotel saßen, aber man konnte den anderen ja nicht die ganze Zeit kennen, seine Gedanken, nach denen zu fragen sinnlos war. Sie hatte nicht einmal den gutaussehenden Barkeeper wahrgenommen, so sehr war sie auf das konzentriert, woran auch immer sie dachte. Der Barkeeper war es gewohnt, bewundert zu werden, und wartete fast bekümmert ein paar Schritte weit entfernt. Sie hasse den Gedanken, nach London zurückzukehren, sagte Enid schließlich.
»Ich auch«, sagte Bowman.
Sie schwieg.
»Dein Mann«, fuhr er fort.
»Ach, mein Mann ist es nur zum Teil. Gut, mehr als ein Teil. Ich will nicht weg von hier. Warum ziehst du nicht nach London?«
Das hatte er nicht erwartet.
»Nach London ziehen«, sagte er. »Willst du dich scheiden lassen?«
»Ich würde gerne. Ich kann im Moment nur nicht.«
»Warum?«
»Da gibt es viele Gründe. Geld ist einer. Er wird mir kein Geld geben.«
»Könntest du es nicht einklagen?«
»Allein der Gedanke ist anstrengend. Das Hin und Her. Die
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