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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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unterhielten, hielt sie, ohne dass es jemand bemerkte, seinen Daumen. Am Abend lagen sie gemeinsam im Bett und hörten dem Knarren der Treppe zu, sahen fern und waren nicht sehr streng, wenn Leon das Licht ausmachen sollte. Abende über dem großen schweigenden Fluss. Abende mit etwas Regen. Das ganze Haus knarrte im Winter, und im Sommer war es wie in Bombay. Wegen Leon konnten sie nicht länger wie William Blake und seine Frau nackt im Garten sitzen, aber am Kopfteil ihres Bettes hatte sie eine kleine Tafel angebracht, Umda stand darauf, eine Art ägyptischer König oder Häuptling, und Eddins schlief nur mit Pyjamahose.
    In der Stadt und dem Nachbarort Grand View hatten sie Freunde gewonnen. An einem Abend im Sbordone’s lernten sie einen etwas trübsinnig wirkenden Maler namens Stanley Palm kennen, der aussah wie Dante auf seinem Gemälde, auf dem er Beatrice das erste Mal erblickte. Er lebte, von seiner Frau Marian getrennt, in einem Betonziegelhaus am Fluss mit einem kleinen Studio daneben. Sie waren zwölf Jahre verheiratet gewesen und hatten eine neunjährige Tochter namens Erica. Erica Palm, dachte Eddins bei sich, er mochte den Klang. Erica und Leon, ungewöhnlich, aber sehr modern, beider Eltern waren geschieden oder hatten sich zumindest getrennt. In Palms Fall fühlte seine Frau sich entmutigt und hatte ihn aufgegeben: Es führte nirgendwo hin. Er hatte keine Galerie in New York, keinen Namen. Er unterrichtete dreimal die Woche Kunst am City College, den Rest der Zeit arbeitete er in seinem Studio an Gemälden, die manchmal nur aus einer Farbe bestanden.
    Palm hatte nicht viel Glück bei Frauen, auch wenn er die Hoffnung nicht aufgab. Vor allem in Bars tat er sich schwer. Er ging in eine Bar auf einen Drink und versuchte es bei einer Frau, die ohne Begleitung schien:
    »Allein hier?«
    Es genügte ein Blick.
    »Nein. Meine Freundin holt mir was zu trinken«, sagte sie.
    Palm sah niemanden und fragte schließlich:
    »Woher kommen Sie?«
    »Ich komme vom Mond«, sagte sie.
    »Ach. Ich bin vom Saturn.«
    »So sehen Sie auch aus.«
    Er war seit mehr als einem Jahr getrennt. Es falle ihm schwer, das alles zu verstehen, gestand er Eddins. Es gebe Maler, die nicht besser seien als er und Erfolg hatten. Es gebe Menschen, bei denen alles so leicht schien. Eines Abends rief er aus einem Impuls heraus Marian an.
    »Hi, Babe.«
    »Stanley?«
    »Ja«, sagte er leicht bedrohlich. »Stanley.«
    »Ich hab deine Stimme gar nicht erkannt. Du hörst dich komisch an.«
    »Wirklich?«
    »Hast du getrunken?«
    »Nein. Mir geht’s gut. Was machst du so?«, fragte er etwas beiläufiger.
    »Was meinst du?«
    »Warum kommst du nicht vorbei?«
    »Ich soll vorbeikommen?«
    Er beschloss, einfach im Geist alter Tage fortzufahren.
    »Ich möchte es mit dir treiben«, sagte er etwas schnell.
    »Oh, wow«, sagte sie.
    »Nein, ich mein es ernst.«
    Sie wechselte das Thema. Er hatte ganz offensichtlich getrunken.
    »Was hast du so gemacht in letzter Zeit?«, fragte sie.
    »Nichts. Ich hab über uns nachgedacht. Warum willst du nicht ein bisschen nett zu mir sein?«
    »Ich war nett zu dir.«
    »Ich fühle mich einsam.«
    »Das ist keine Einsamkeit.«
    »Wie würdest du es dann nennen?«
    »Ich kann nicht zu dir kommen.«
    »Warum nicht? Warum nimmst du dir kein Herz?«
    »Das habe ich. Viele Male.«
    »Das hilft mir jetzt aber nicht«, sagte er.
    »Du wirst drüber hinwegkommen.«
    Sie redete noch eine Weile mit ihm. Am Ende fragte sie, ob er sich besser fühle.
    »Nein«, sagte er.
    Dann, eines Tages in der Village Hall, wo er bei einer Ausstellung ein paar Bilder zeigte, lernte er ein dunkelhaariges Mädchen in einem engen Pullover kennen, das nett zu sein schien. Ihr Name war Judy, sie war etwas jünger, aber sie unterhielten sich eine Weile, und sie war davon beeindruckt, dass er Maler war. Sie habe noch nie einen Maler kennengelernt, sagte sie. Sie nahm ihn auf dem Weg nach Piermont ein Stück mit, und während sie fuhr, griff er wie in Trance zu ihr hinüber und schob seine Hand unter ihre Lederjacke, als wäre er ein Rockstar. Sie sagte nichts und wurde seine Freundin. Bald erzählte er ihr von einer Idee, die er hatte, er wollte ein Restaurant eröffnen, wie die in New York, in das Künstler und Musiker gingen. Es gäbe italienische Küche, und er hatte auch schon einen Namen. Sironi’s, nach einem Maler, den er bewunderte.
    »Sironi’s.«
    »Ja, genau.«
    Judy war enthusiastisch. Sie würde ihm bei allem helfen, sich

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