Alles, was ist: Roman (German Edition)
Verhandlungen.«
»Aber du wärst frei.«
»Frei und allein.«
»Du wärst nicht allein.«
»Ist das ein Versprechen?«, sagte sie.
Sie kehrten nicht gemeinsam nach London zurück. Er nahm in Madrid das Flugzeug nach New York. Auf dem Flug blieb der Sitz neben ihm frei, er sah eine Weile aus dem Fenster, dann lehnte er sich zurück, entspannt und vollkommen glücklich. Spanien entfernte sich unter ihnen. Sie hatte ihn dorthin mitgenommen. Er würde sich lange daran erinnern. Die hohen, breiten Stufen des großen Hotels, das Alfonso XIII, über die Bankiers und nationalistische Generäle wie zu einem Altar hinaufgeschritten waren. Die Sandwege im Retiro, die Reihen weißer Statuen.
Auf das Vorsatzblatt von Lorcas Gedichtband schrieb er sorgfältig die Namen der Hotels, das Reina Victoria, Dauro, del Cardenal, Simón. Sie hatten in einem Bett mit vier Kissen geschlafen, verloren in all dem Weiß. Das Wort für nackt auf Spanisch war desnudo . Es war in jeder Sprache gleich, hatte sie bemerkt.
Er bestellte einen Drink. Die Ansagen waren beendet, und es gab nur noch das leise, gleichmäßige Geräusch der Motoren. Er sah sich selbst dort sitzen, fast wie von außen, und trieb in Gedanken. Er konnte sich sehen, einfach alles, von der Hand, die das Glas hielt, bis zu seinen Füßen. Wie viel Glück er hatte. Er sah das Bein eines anderen Passagiers, ein Mann in der ersten Klasse, ein Bein in einem grauen Anzug. Er fühlte sich dem Mann überlegen, wer er auch war, jedem im Grunde. Du riechst nach Seife, hatte sie gesagt. Er hatte gebadet. Du hast allen Männergeruch weggewaschen. Er wird schon wiederkommen, hatte er gesagt. Das grau betuchte Bein erinnerte ihn an New York, an das Büro. Er dachte an Gretchen und ihre schlechte Haut, und wie es sie irgendwie begehrenswerter machte. Er dachte an das Mädchen in Virginia an jenem Weihnachten, Dare, die eine Sexualität ausstrahlte, als könnte sie in der nächsten Sekunde dir gehören, wenn man derjenige war … wenn man derjenige war. Es war passiert, er war in Spanien mit einer Frau, die ihm ein Gefühl vollkommener Souveränität verlieh. Er hatte eine gewisse Grenze überschritten. Ihr blondes Haar, ihre schlanke Eleganz. Er sah sich mit einem Mal als eine andere Art von Mann, ein Mann, auf den er gehofft hatte, ganz und gar Mann, an das Wunder gewöhnt. Enid rauchte hin und wieder eine Zigarette, der schwere Dunst floss langsam aus ihrem Mund. Das Licht im Ritz machte sie wunderschön. Das Geräusch ihrer hohen Absätze. Es gab niemand anderen, es wird nie jemand anderen geben.
Eines Tages etwas später im Herbst kam er nach dem Lunch ins Büro zurück. Es war kälter geworden, die Menge auf der Straße hatte vom Wind erfrischte Gesichter. Der Himmel war ohne Farbe, und die Fenster der Gebäude wurden zu immer früherer Stunde erhellt. Das Büro schien ungewöhnlich still, waren alle gegangen? Die Stille war unheimlich. Sie waren nicht gegangen, sondern hörten die Nachrichten. Etwas Furchtbares war geschehen. Der Präsident war in Dallas erschossen worden.
13. Eden
In dem kleinen weißen Haus in Piermont lebte Eddins mit seiner Frau und Leon das Leben eines Philosophenkönigs. Das Haus war noch immer einfach möbliert, zwei alte Korbstühle mit Kissen standen neben der Couch, auf dem Boden lag ein abgelaufener Perserteppich. Es gab Bücher, Nachttische aus Bambusholz und ein Gefühl von Harmonie. Ihnen fehlte es an nichts. In der Küche stand der Tisch, an dem sie aßen und an dem Eddins am Abend gerne saß und las, eine brennende Zigarette in seiner Bernsteinspitze, um ihn das Gefühl des Hauses, auf seinen kräftigen Schultern, seine Frau und Leon schliefen oben, und er, wie Atlas, trug das alles.
Zu Hause kleideten sie sich leger, Eddins, so sagte er, in Hausmalerkluft, der Ort verlange es geradezu. Er ging in Mantel, Schal und Jackett, Trainingshose und Filzhut, obwohl er sich sehr gut kleidete, wenn er in die Stadt fuhr. Er fuhr gewöhnlich allein und immer mit einem Hochgefühl, sobald er die George Washington Bridge überquerte und die grandiose Skyline in der Ferne sah. Abends dann fuhr er befreit zurück, bei immer weniger Verkehr, je weiter er sich von der Stadt entfernte, und traf noch summend von der Energie Manhattans bei ihnen zu Hause ein.
Eine lange Zeit gehörten sie zu den frisch verliebten Pärchen, die man immer beneidete, Pärchen ohne Gewohnheiten und Geläufigkeit, auch ohne Vergangenheit, auf Partys, wenn sie sich mit Leuten
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