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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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traf mit einem baumelnden weißen Hahn aus Uli [142]   ein. Es war eine schreckenerregende Versammlung. Die unheimlichen Stimmen zahlloser Geister, die Schellen, die hinter manchen rasselten, das Klirren der Kampfmesser, wenn sie zum Kriegersalut vor- und zurückstürzten, ließen die Herzen vor Furcht erbeben. Zum ersten Mal seit Menschengedenken hörte man das heilige Schwirrholz [143]   am helllichten Tag.
    Vom Marktplatz aus zog die grimmige Schar zur Hofanlage Enochs. Einige Älteste begleiteten sie, schwer geschützt mit Zaubern und Amuletten. Es waren Männer, deren Arme mächtig waren an solchem ogwu . Die normalen Männer und Frauen hingegen verfolgten das Geschehen im Schutz ihrer Hütten.
    Die Führer der Christen hatten sich am Abend zuvor in Mr Smith’ Pfarrei versammelt. Während sie Rat hielten, hörte man die Mutter der Geister um ihren Sohn heulen. Das grausige Klagen ließ nicht einmal Mr Smith unberührt; zum ersten Man wirkte er ängstlich.
    »Was haben sie vor?«, fragte er. Keiner wusste es, denn noch nie hatte sich Derartiges zugetragen. Mr Smith hätte nach dem District Commissioner und seinen Gerichtsdienern gesandt, aber die waren seit gestern auf Tour [144]   .
    »Eines steht fest«, sagte Mr Smith. »Tätlicher Widerstand ist zwecklos. Unsere Stärke liegt im Herrn.« Also knieten sie sich nieder und beteten zu Gott um Erlösung.
    »O Herr, hilf Deinem Volk und segne Dein Erbe«, deklamierte Mr Smith.
    »Und weide sie und erhöhe sie ewiglich«, erwiderten die Männer.
    Sie beschlossen, dass Enoch ein oder zwei Tage in der Pfarrei versteckt werden müsse. Enoch selbst war schwer enttäuscht, als er es hörte, denn er hoffte auf den Ausbruch eines heiligen Kriegs, und da war er unter den Christen nicht der Einzige. Doch im Lager der Gläubigen siegte die Vernunft, und so wurden viele Leben gerettet.
    Die Schar der egwugwu kam wie ein zorniger Wirbelwind über Enochs Hof, den sie mit Flamme und Kampfmesser in einen Trümmerhaufen verwandelte. Und von dort zog sie im Rausch der Zerstörungswut weiter zur Kirche.
    Mr Smith war drinnen, als er die maskierten Geister kommen hörte. Er ging seelenruhig an das Portal, das den Kirchhof überblickte, und baute sich dort auf. Als die ersten drei oder vier egwugwu vor dem Hof erschienen, hätte er beinahe Reißaus genommen. Doch er bezwang sich, und statt davonzulaufen, stieg er die zwei Stufen zur Kirche hinab und schritt auf die sich formierenden Geister zu.
    Sie schwärmten aus, und ein langes Stück des Bambuszauns, der den Kirchhof umschloss, fiel. Misstönende Schellen und Glocken schrillten, Kampfmesser klirrten, und die Luft war erfüllt von Staub und seltsamen Tönen. Mr Smith hörte Schritte in seinem Rücken. Er drehte sich um und erblickte Okeke, seinen Dolmetscher. Okeke war auf seinen Herrn nicht gut zu sprechen, er hatte bei der nächtlichen Versammlung der Kirchenführer das Verhalten Enochs scharf verurteilt. Er hatte sich sogar dazu verstiegen zu sagen, Enoch dürfe nicht in der Pfarrei versteckt werden, weil das den Zorn des Klans auf den Pastor ziehen werde. Daraufhin hatte Mr Smith ihn offen getadelt, und er hatte an diesem Morgen nicht um seinen Rat gebeten. Doch jetzt, als Okeke neben ihn und den erbosten Geistern entgegentrat, sah Mr Smith ihn an und lächelte. Es war ein bemühtes Lächeln, aber nicht ohne tiefe Dankbarkeit.
    Einen kurzen Augenblick bot die so unerwartete Haltung der beiden Männer dem Ansturm der egwugwu Einhalt. Aber es war nur ein Augenblick – ähnlicher der gespannten Stille zwischen zwei Donnerschlägen. Der zweite Ansturm war wilder als der erste. Er umwogte die beiden Männer. Doch dann erhob sich eine unverkennbare Stimme über den Tumult, und es herrschte augenblicklich Ruhe. Man machte Platz um die beiden Männer, und Ajofia [145]   hob zu sprechen an.
    Ajofia war der Anführer der egwugwu Umuofias. Er war Haupt und Sprecher der neun Ahnen und Richter des Klans. Seine Stimme war unverwechselbar, und so gelang es ihm augenblicklich, die erregten Geister zu zügeln. Er wandte sich an Mr Smith, und während er sprach, stieg Rauch aus seinem Haupt.
    »Leib des weißen Mannes, ich grüße dich«, sagte er mit den Worten, die Unsterbliche an die Menschen richteten.
    »Leib des weißen Mannes, kennst du mich?«, fragte er.
    Mr Smith sah seinen Dolmetscher an, doch Okeke, der aus dem fernen Umuru kam, war so ratlos wie er selbst.
    Ajofia lachte sein kehliges Lachen. Es war wie das

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