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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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über sie bestimmen. Sie sähen doch, dass genau das bereits am Eingeborenengerichtshof geschehe, wo der District Commissioner von Fremden umgeben sei, die seine Sprache sprächen. Die meisten kämen aus der fernen Stadt Umuru am Ufer des Großen Flusses, wo der weiße Mann zuerst eingetroffen sei.
    Nach und nach entfaltete Mr Browns Zureden seine Wirkung. Es kamen immer mehr Leute auf seine Schule, und er ermutigte sie mit Geschenken von Unterhemden und Handtüchern. Nicht alle, die kamen, um zu lernen, waren jung. Manche waren dreißig Jahre alt und mehr. Sie arbeiteten vormittags auf ihren Feldern und gingen nachmittags zur Schule. Und es dauerte nicht lange, da fanden die Leute, dass die Zaubermittel des weißen Mannes schnell wirkten. Mr Browns Schule brachte schnelle Ergebnisse. Ein paar Monate genügten, um aus jemandem einen Gerichtsdiener oder sogar -schreiber zu machen. Wer länger blieb, wurde Lehrer, und so zogen die Arbeiter von Umuofia in den Weinberg des Herrn hinaus. Neue Kirchen entstanden in den umliegenden Dörfern und mit ihnen neue Schulen. Von Anbeginn an gingen Glaube und Erziehung Hand in Hand.
    Mr Browns Mission wuchs unaufhaltsam, und dank ihrer Verquickung mit der neuen Verwaltung erlangte sie einiges Ansehen unter der Bevölkerung. Doch die Gesundheit von Mr Brown selbst litt. Zunächst missachtete er die Vorzeichen. Doch schließlich musste er, traurig und gebrochen, seine Schäfchen verlassen.

    Mr Browns Heimreise fiel in die erste Regenzeit nach Okonkwos Wiedereintreffen in Umuofia. Als er fünf Monate zuvor von Okonkwos Rückkehr erfahren hatte, hatte ihm der Missionar sogleich seine Aufwartung gemacht. Soeben hatte er Okonkwos Sohn Nwoye, der nun Isaac hieß, ans neue Lehrerkolleg nach Umuru geschickt. Er hatte gehofft, Okonkwo werde sich freuen, das zu erfahren. Doch Okonkwo hatte ihn fortgejagt und gedroht, wenn er sich je wieder auf seinem Hof blicken ließe, würde er von diesem getragen werden müssen.
    Okonkwos Wiedereinzug in sein angestammtes Land war nicht so unvergesslich gewesen, wie er es sich gewünscht hatte. Wohl stimmte, dass seine zwei bildschönen Töchter unter den Freiern großes Interesse erregten und Heiratsverhandlungen bald schon im Gange waren, doch abgesehen davon schien Umuofia von der Rückkehr des Kriegers keine besondere Notiz genommen zu haben. Der Klan hatte sich während seiner Verbannung so grundlegend gewandelt, dass er kaum wiederzuerkennen war. Die Leute hatten vor allem den neuen Glauben und die neue Regierung und die Handelshäuser im Blick und im Kopf. Zwar gab es noch viele, die diese neuen Einrichtungen als Übel betrachteten, doch selbst diese bewegte in Wort und Gedanke wenig anderes, ganz sicher nicht Okonkwos Rückkehr.
    Außerdem war in dem Jahr alles verkehrt. Hätte Okonkwo seine zwei Söhne gleich in die Gesellschaft der ozo initiieren können, wie er es vorgehabt hatte, dann hätte er tatsächlich Aufsehen erregt. Doch der Initiationsritus fand in Umuofia nur alle drei Jahre statt, und so würde er fast zwei Jahre auf die nächste Zeremonienrunde warten müssen.
    Okonkwo war tief getroffen. Und sein Kummer galt nicht allein sich selbst. Er trauerte um den Klan, der zu zerbrechen und auseinanderzufallen schien, und er trauerte um die kriegerischen Männer von Umuofia, die unbegreiflicherweise weich geworden waren wie Weiber.

Zweiundzwanzigstes Kapitel
    Mr Brown folgte der Reverend James Smith, und das war ein Mann aus ganz anderem Holz. Offen verurteilte er Mr Browns Politik der Einigung und des Entgegenkommens. Er sah die Dinge in Schwarz und Weiß. Und Schwarz war das Böse. Er sah die Welt als Schlachtfeld, als tödliches Ringen der Kinder des Lichts mit den Söhnen der Finsternis. Er sprach in seinen Predigten von Schafen und Böcken und Weizen und Spreu. Er glaubte an die Vertilgung der Propheten Baals.
    Mr Smith war entsetzt über die Unkenntnis, die viele seiner Schäfchen selbst in Fragen wie der Dreifaltigkeit und der Sakramente aufwiesen. Das zeigte, dass bei ihnen aufs Steinige gesät war. Mr Brown habe an nichts weiter als an Zahlen gedacht. Er hätte aber wissen müssen, dass das Reich Gottes nicht von großen Mengen abhing. Der Herr selbst habe die Bedeutung der Wenigen hervorgehoben. Der Weg sei schmal, der zum Leben führe, und wenige seien ihrer, die ihn fänden. Den heiligen Tempel des Herrn mit Anbetern zu füllen, die nach Zeichen riefen, sei von nicht wiedergutzumachender Leichtfertigkeit. Der Herr habe

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