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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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Furore macht. Und da kommen Sie ins Spiel. Sie sind, wenn ich so sagen darf, der Joker: Sie verfügen nämlich über ein Wissen, das uns fehlt und das wir in der Vermittlung brauchen. Es geht um feinen, hintergründigen Witz. Damit bauen Sie die Brücke zwischen uns hier drinnen in unserer Welt der Theorie und dem Leben draußen, ein bisschen so wie Rivel, wenn Sie wissen, was ich meine. Kennen Sie Charlie Rivel? Aber soll ich Ihnen was sagen, ich habe mir Ihre Arbeit nämlich etwas angesehen – Sie sind besser.«
    Ein Zirpen in seiner Jackentasche lässt Walter erzittern. Urlaubsreif, denkt er. Maier verstummt.
    »Kannst du nachher bei Wolff vorbeigehen?«, fragt Trixi. »Da liegt ein Buch für mich, das ich bestellt habe. Aber nur, wenn du ohnehin vorbeikommst. Wann machst du denn Schluss?«
    »Weiß ich noch nicht«, antwortet Walter knapp. »Es stehen noch ein paar Sachen aus, die ich erst abwarten möchte. Aber allzu lange bleibe ich heute nicht. Keine Sorge, um das Buch kümmere ich mich auf dem Heimweg.«
    Er drückt die rote Taste so heftig, dass das kleine Ding in seiner Hand gleich mehrfach an- und ausgeht.
    Komisch, weshalb hat er ihr nicht verraten, dass er nicht mehr im Büro ist? Und Maier, was will der mit dem Gerede von einem Clown? Welcher Clown? Seiner – Mohnerlieser? Wie in aller Welt geht es an, dass jemand von dem Larifari weiß, das ihm nachts auf die Nerven geht? Die Behauptung, gewisse Psychopathen könnten unsere Gedanken lesen wie die Zeitung, ist Walter nicht neu. In der Realität haftet der Sache etwas Unheimliches an. Der Professor blättert zufrieden in einem mathematischen Skript.
    Aber wieso hat er Trixi eben belogen? Sie sagen sich doch die Wahrheit, nicht nur, wenn es darauf ankommt, sondern immer – schon um das nicht unterscheiden zu müssen. Ihr Anruf war einfach zu überraschend. Es wäre zu kompliziert gewesen, ihr die ganze Geschichte gleich zu erklären: Wo er sich hier aufhält und warum. Dass er mitten am Tag sein vor unerledigter Arbeit platzendes Büro verlässt, um ein Institut aufzusuchen, in dem er garantiert nichts verloren hat, weil das Ganze bestenfalls auf einer Verwechslung beruht. Man wollte ihn übertölpeln. Wenn er selber schon nicht mitkommt, wie sollte da sie sich so schnell durchfinden? Was ist ihm übriggeblieben? Sollte er ihr mitteilen, für wen man ihn hier hält? Für einen Clown. So schnell ist ihm einfach nicht eingefallen, wie er ihr all das hätte auseinandersetzen können.
    Trixi weiß nichts von einem Mathematikprofessor namens Maier, sie würde nicht an dessen, sondern an seinem Verstand zweifeln. Doch die ganze Angelegenheit ist vollständig bedeutungslos. Er hat es aus Bequemlichkeit – Unsinn: aus Verantwortungsgefühl – vorgezogen, diese Lappalie gar nicht zu erwähnen und stattdessen so zu tun, als sei auch an diesem einzigartig verkorksten Tag alles so wie immer und er auch selbstverständlich in der Agentur. Eigentlich haben seine Reflexe sogar ganz gut funktioniert. Seine Aufgabe, auch wenn sie das gar nicht wahrnimmt (umso besser), besteht ja darin, Trixi nicht zu beunruhigen. Ihr gemeinsames Leben zu schützen. Einmal richtig ausschlafen, dann ist alles wieder im Gleichgewicht. Walter greift nach Maiers Hand. Der Mathematiker fasst begeistert zu, entlegenste Geistesgefilde fest im Blick, und gerade will er zu neuen Exkursen ansetzen, da geht Walter einfach durch die Tür.

Das Mieder
    Alltäglichkeit – weitermachen nach einem kurzen Aussetzer. Er wird doch noch bis zum Schluss ausführen, was er Trixi gegenüber eben nicht ganz genau und scharf bis zu den Rändern dargestellt hat. Das Eis, auf dem wir stehen, ist noch viel dünner, als uns schwant. Beinahe. Zurück ins Büro. Ein neuentwickeltes winziges Stadtfahrzeug soll auf dem Markt plaziert werden, und in der Agentur denken sie über einen einprägsamen Slogan nach, mit dem technische Primitivität in einen Vorzug umgemünzt wird. Bava behauptet, ihm sei dazu etwas eingefallen.
    Die Sache erinnert Walter daran, wie alles anfing, damals, als Ingenieur in München. Gerade war ein revolutionärer Kleinwagen herausgekommen, auf den andere Hersteller anscheinend keine direkte Antwort zu geben wussten. Trixi und er besuchten eine Party. Nach zwei Bourbons malte er sich zum Spaß aus, wie clevere Werbung für die Konkurrenz aussehen könnte: eine ganzseitige Anzeige in Schwarzweiß, nur ein großes Foto der alten Isetta darauf, darunter der Satz »Wir waren schon 1955

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