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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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nachdem sie ihm verraten hat, dass schon wieder ein paar der Rechnungen, mit denen sie ihren Klienten ohnehin reichlich Zeit lassen, weit über jedes vertretbare Datum hinaus offengeblieben sind. Was, wenn er dort einfach nicht mehr auftaucht? Er ist dann bald erledigt. Ein armer Mann. Hat seine Frau das überhaupt schon begriffen?
    Trixi Ghedina vergräbt die Hände in den Manteltaschen. Sie ist noch müde, und sie friert. Die Nächte werden inzwischen ziemlich kalt. Trotzdem hat sie keinen Schal dabei, sondern nur eine Zigarette zwischen den Lippen. Kaum vorstellbar, dass sie vor gar nicht langer Zeit noch bis spät in den Abend draußen gesessen haben. Irgendwann ist es mit den schönen, warmen Tagen schlagartig vorbei. Sie hat es eilig, ein Banktermin steht an. Beim Kaufhaus entschließt sie sich trotzdem, schnell einen Schal zu kaufen. Als sie wieder draußen ist, während sie ihre Packung Clea aus der Handtasche kramt, kommt vor den Glastüren ein hochgewachsener Junge mit grasgrünen Haaren und einigen Sicherheitsnadeln im Gesicht auf sie zu und fragt, ob da vielleicht eine Kippe für ihn übrig sei. Seine wasserblauen Kinderaugen sehen zu, wie Trixi eine Zigarette aus der Packung schlägt. Sie gibt ihm Feuer. Ein tiefer Zug, »guter Stoff«, er wendet sich ab und federt fort.

Sex und Geometrie
    »Dein Wagen steht gleich unten vor der Tür«, Cora Hagen legt die Schlüssel auf den Schreibtisch. Fragend sieht Walter sie an.
    »Neue Scheibe drin, alles wieder gerichtet, wie ladenneu. Der geht ja ab wie eine Rakete. Da duftet das Leder … Nicht schlecht.«
    Als Cora die Tür hinter sich geschlossen hat, überlegt Walter kurz, Trixi anzurufen, um zu hören, ob sie inzwischen auf ist oder vielleicht bis zum Abend liegen bleibt, weil sie einfach einen viel zu dicken Kopf hat – hinter ihr steht ja keine Firma, die Anwesenheit am Arbeitsplatz verlangt. Ein wichtiger kleiner Unterschied zwischen ihnen, den Trixi für seinen Geschmack zu oft vergisst. Aber er legt das Telefon zurück: Noch ist ihm zu lebendig, wie sie ihn in ihrer Berauschtheit als Witzfigur wahrgenommen hat. Da kommt Zabel hereingestürmt.
    »Hier«, sagt er, ohne dass klar wird, was er meint, »hast du das gesehen?«
    Schulterzucken. »Was?«
    »Dieser Norweger von der Airline hat uns den Auftrag einfach schon erteilt. Statt abzuwarten, was wir ihm vorschlagen, schreibt er. Honorar und Spesen reichlich, und er erwartet dafür in sechs Wochen ein aussagekräftiges, detailliertes Konzept. Kannst du dir so was vorstellen?«
    Tomm sieht seinen Chef irritiert an. »Sei doch froh, Mirko – was willst du denn mehr?«
    »Umgangsformen, mein Lieber. Einvernehmlich festgelegte Konditionen. Der hat anzuklopfen und zu warten, bis ich ihn hereinbitte und ihm erkläre, wie wir die Sache angehen wollen. Sein Auftrag ist vergiftet, kommt zu früh, ist zu pauschal, er stinkt mir – verstehst du?«
    »Es ist dein Laden.« Walter fällt nichts mehr ein. Er gibt sein Letztes, um die Firma durch diese kritische Zeit zu bringen, und hier beschwert sich sein Boss über die Zumutung, den fetten Fisch, der schon an seinem Haken hängt, am Ende auch noch aus dem Wasser ziehen zu müssen.
    »Du sagst es, und da lasse ich mir von niemandem hereinpfuschen, von der Kundschaft schon gar nicht. Ich entscheide, wie wir was bearbeiten – wann und ob überhaupt. Und formuliere auch unsere Honorarforderung. Der aufgeblasene Kerl glaubt, wir wüssten seinem pompösen Scheck nicht zu widerstehen. Aber zu dem Zeitpunkt, den er uns diktieren will, können und werden wir keine Kampagne ausgearbeitet haben. Lass dir von Sandra die Unterlagen geben, wir sprechen später noch einmal in größerer Runde darüber.«
    Mit zwei Aspirin im Bauch und dem neuen Schal um den Hals steht Trixi in der Bank, wo sie der leise Duft umfängt, den Spezialisten für solche Aufgaben einheitlich über alle Filialen verteilen. Das vorbereitete Formular für den Kreditantrag reicht sie einem jungen Mann mit glänzenden Haaren, der den Schlips wie ein Soldat zwischen dem zweiten und dem dritten Knopf im Oberhemd verschwinden lässt. Es geht ihr um die finanzielle Überbrückung der Zeit, bis ein Sender gefunden ist, der den Film in Auftrag gibt. Sie legt großen Wert darauf, in diesem Zusammenhang unabhängig von Walters Geschäften zu bleiben. Der Mann ihr gegenüber, der sich als »Ihr persönlicher Kundenberater« vorgestellt hat, sieht sich durch seine seidigen Wimpern den ausgefüllten Bogen an.

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