Alles Zirkus
seine Sachen einsammeln soll. Währenddessen geht er selber hinüber und verabschiedet sich von seiner Frau. Sie sitzt vor einem Buch mit Bildern dieses Malers. Zwischen ihren Lippen steckt schon wieder eine Zigarette.
»Findest du nicht, dass du zuviel rauchst neuerdings?«, sagt Walter, erwartet aber keine Antwort. »Du hast ja auch noch gar nicht gefrühstückt. Aber morgen ist wieder alles anders. Und vergiss den Ärger wegen des lästigen Kerls«, bittet er, legt ihr die Hände auf die Schultern und versenkt sich in den Duft, der von ihrem Nacken aufsteigt, und den Anblick der feinen Haare hinter ihren Ohren. Mit einem Klopfen an den Türrahmen macht Schach sich bemerkbar. Er hat seine Tasche und den Campingbeutel geschultert.
»Wollen Sie weg?«, fragt Trixi.
Er kommt ins Zimmer, um ihr die Hand zu geben. Sein Blick streift das aufgeschlagene Buch vor ihr mit dem Bild einer Frau in wilden Korsagen, geschlitztem Wams, Lederröhren, mit Schulteraufbauten, Schnallen, Schnürungen, dazwischen Fleisch: »Selbstporträt als Sex-Samurai?«
»Meinen Sie, ich male mir die Kunstbücher selbst?«, lacht Trixi und klappt den Band zu.
»Sieht Ihnen aber sehr ähnlich.«
»Ich nehme ihn mit«, mischt Walter sich ein. »Wir müssen los!«
»Würde es dir etwas ausmachen«, sagt sie, »heute einmal mit dem Taxi zu fahren?«
Walter sieht sie an. »Jetzt haben wir keine Zeit mehr, das sage ich doch« – anscheinend hat er noch nicht begriffen.
»Sie besitzen doch einen Führerschein?«, sagt Trixi an Schach gewandt.
»Sämtliche Klassen«, murmelt der, während sie weiterspricht: »Also – leihst du mir vielleicht für diesen Tag einmal den Wagen? Ich könnte dann nämlich Verschiedenes erledigen, was sonst sehr umständlich wäre, auch wenn das normalerweise keine Rolle spielt. Jetzt fügt es sich eben mal anders.«
»Der Wagen ist gerade repariert«, will Tomm abwehren.
»Wenn es um den Schlitten von gestern geht«, bemerkt Schach, »ein Stoffhund ist das ja nicht gerade«, was immer das besagen soll.
»Schach« – sie verzichtet auf Umständlichkeiten – »kann ebenso gut später abreisen und fährt mich. So kann er sich revanchieren.«
Betriebsausflug
»Im Dschungel wird es hell, weil die Nacht vorüber ist, aber die Sonne zeigt sich nicht. Der Regen beginnt, und wenn der Tag schon viel zu lange dauert, wird es dunkel. Die ganze Zeit trommeln die Tropfen weiter auf die Plastikplanen über den Hängematten ein, die so unbequem sind, dass die Männer nur schlafen, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Als Ausbilder darf man vor allem eins nicht sein: zimperlich. Das schuldet man seinen Leuten.« Schach schnippt nebenbei die Kippe aus dem Fenster, während er den schweren Wagen so mühelos rückwärts in die eigentlich viel zu kleine Parklücke setzt, dass Trixi es kaum als besondere Aufgabe wahrnimmt. Seine leichten Slipper dosieren geschmeidig den Druck auf die Pedale, nichts hakt oder krächzt, alles scheint auf einmal ganz anders geschmiert zu sein, wie auf Schienen gleitet das Auto in einer einzigen weichen Kurve zwischen die anderen abgestellten Wagen an den Bordstein vor dem Schlossplatz.
Im Kofferraum liegt bereits ein Paket mit den Teilen eines Rolltischs, das sie vorhin in einem Möbelgeschäft an der Autobahn geholt haben. Schach kann ihn später im Studio montieren, der Drucker ist dann besser untergebracht, glaubt Trixi. Und da sie schon mit dem Auto unterwegs sind, hat sie beschlossen, zwei oder drei Pakete Papier mitzunehmen. Sie bittet ihren Chauffeur, das schon einmal zu besorgen, während sie quer über den Platz zur Buchhandlung geht. Der Wind lässt abgefallene Lindenblätter über die Steine am Boden laufen wie verängstigte kleine Mäuse auf der Flucht. Mit dem Rascheln hungriger Klapperschlangen fegt vertrocknetes Kastanienlaub hinterher. Die Urwaldabenteuer, die sie seit dem Morgen zu hören bekommt, hinterlassen offensichtlich Spuren in ihrem Kopf.
Kupka staunt nicht schlecht, als aus Walters Auto Schach in seinen Hof steigt und das Paket mit dem Tisch und das Übrige, was sie im Wagen hatten, hinaufbringt. Und nun? Trixi findet, man kann ihn unmöglich einfach so vor die Tür setzen. Er hat nur Pech, obwohl er sich ernstlich bemüht, und schleppt einen dicken Problemknoten mit sich herum. Den bekommt niemand so schnell auf, aber man kann vielleicht mit dem Versuch beginnen. René Schach kennt immerhin die Welt, er beherrscht mehrere Sprachen, verfügt über Fertigkeiten, es ist nicht
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