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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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einzusehen, dass es nirgends Verwendung für ihn geben soll.
    Nachdem er weg ist, stellt sie die Kaffeemaschine an und sieht den schwarzen Tropfen dabei zu, wie sie sich in der Glaskanne sammeln. Leer breitet sich der Hof unter dem Fenster aus. Kupkas Leute scheinen im Einsatz zu sein. Die Ruhe ist wunderbar. Ihre Gedanken gehen trotzdem kreuz und quer durcheinander. Fast ärgerlich, dass das Radiogedudel gerade dann ausbleibt, wenn sie sich ohnehin schlecht konzentrieren kann und es eigentlich keinen Zweck hat, hier hocken zu bleiben. Heute bringt sie nichts zustande. Es ist sogar besser, sagt sie sich, die Finger davon zu lassen, sonst richtet sie nur Schaden an. In der Kaffeetasse vor ihr auf dem Tisch spiegelt sich das Fenster. Ist der Film fertig, werden die Tassen ein Teil des Abfalls, der dabei entstanden ist. Das kleine Fenster tanzt, wenn ihr Atem daran rührt. Das Bild des durchs Auge streichenden Rasiermessers blitzt auf. Sie drückt einige Tasten, Walter ist gleich am Apparat: Sie habe Schach gesagt, dass sie am Abend mit ihm reden werden.
    Schach? Sitze der denn nicht längst im Zug?
    Man könne einen Mann wie ihn doch nicht einfach hinauswerfen. Eine Sicht auf Menschen habe er sich da angewöhnt, die überhaupt nicht zu ihm passe.
    Und jetzt, wo halte Schach sich gerade auf? Bei ihr im Büro, oder wie überbrücke er die Zeit, bis er wieder bei ihnen zu Hause Einzug halte? Walter nennt ihn einen Burschen. Und der Wagen? Das sei auch keine gute Idee von ihr gewesen – hoffentlich habe er ihn nicht ruiniert.
    Das Auto stehe längst wieder wohlbehalten vor der Tür. Es sei nämlich nicht aus jenem Papier gefertigt, das sich in Luft auflöst. Also: Sie habe Schach einen Schlüssel gegeben, er sei ja kein Zuchthäusler.
    Dieser Brief, immer weiter. Walter ignoriert ihre Spitze: Alles schön und gut, aber vielleicht hätte sie einen Augenblick warten können. Er habe ihr nämlich gerade eine kleine Reise vorschlagen wollen, kurz entschlossen für ein paar Tage in den Süden. Ausspannen. Eine Woche Korfu.
    So was müsse vorbereitet werden – sie plane einen Film! Und er wisse doch selbst nicht mehr ein noch aus vor Arbeit.
    »Verstehe«, sagt er. »Weil Schach da ist.«
    »Und von wem eingeladen?« Jetzt könne man nicht so tun, als berühre einen seine Notlage nicht. Er solle nicht zu spät kommen, damit sie ein bisschen Zeit hätten und er nicht wieder zu kaputt wäre.
    Walter hält das stille Telefon in der Hand, aus dem Trixis Stimme verschwunden ist. Er kann ihr nicht mehr sagen: Warum baust du diese Mauer zwischen uns immer höher, Trixi? Ich sitze in diesem Büro ja nicht aus Langeweile. Draußen in der Welt ist die Hölle los. Aber du lädst wildfremde Leute in unser Leben ein.
    Gerade war er dabei, die Umrisse der neuen Ökostromkampagne zu überdenken, die er an Land zu ziehen sucht. Cora hat einige frische Ideen entwickelt – fragt sich nur, wie Zabel sich dazu stellen wird. Dass er viel zu tun hat, versucht er Trixi hin und wieder klarzumachen – ohne Erfolg. Sie begreift nicht, dass die Wirklichkeit einem etwas abverlangt. Ihre krankhaft misstrauische Phantasie, stets auf Hochtouren laufend, macht ihm das Leben unnötig schwer. Die Realität? – interessiert sie nicht. Dort geht es ja nicht darum, vergessene Popmaler groß in Szene zu setzen oder abgehalfterte Fremdenlegionäre vom Abgrund zurückzuziehen, sondern für sich selbst zu sorgen. Manchmal hat er den Eindruck, dass Trixi nie aus ihrem Pustertal herausgefunden hat: Sie wartet noch immer auf die rußgeschwärzten Gesichter der Männer mit Dynamit im Rucksack und zittert, unter welcher Brücke es krachen, wie viele Telefonmasten diesmal umknicken werden.
    Wenn es ihm nicht gelingt, Trixis Vertrauen zurückzugewinnen, wird es immer enger werden um seine Rippen. Heute Abend muss er damit anfangen, mit oder ohne Legionär, ganz egal. Diese lächerliche Briefsache – die größten Probleme brauchen nur kleine Auslöser. Ehe das Sandkorn nicht aus dem Auge ist, hilft die Feststellung seiner Winzigkeit nicht weiter. Trixi muss wieder an ihn glauben, sonst ist alles sinnlos. Maiers Schreiben lässt sich doch noch einmal ausfertigen in diesem unheilsschwangeren Institut, wo man ihm das Ganze eingebrockt hat. Dort wird er ein Duplikat erhalten, darauf hat er Anspruch, damit er Trixi dieses Stück Papier vorzeigen kann und sie ein für alle Male begreift, dass sie ihm nie mehr misstrauen darf! Gibt es für ihn Wichtigeres? Er

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