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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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noch im Schlaf einen Plan vom Approuague samt sämtlichen Uferhöhlen zeichnen, in denen die illegalen Goldschürfer Guayanas ihre Boote verstecken – alles bis ins kleinste Detail in seinem Hirn registriert.
    Walter Tomm sieht ihn verständnislos an.
    Beispielsweise, fährt Schach fort. Er habe auch die Stadt hier gespeichert. Man gebe ihm nur Bleistift und Papier, dann wolle er es augenblicklich beweisen.
    Trixi sieht Walter amüsiert an: Das passe doch sehr gut – wolle er nicht Schach dieses Landkartenproblem für sich lösen lassen? Sie schenkt Calvados nach. »Sind Sie in diese brisante Problematik bereits eingeweiht, René?«
    René?, stutzt Walter. Für heute reicht es ihm. Er ist müde. Bekanntlich handle es sich nicht um eine kartographische, sondern eine mathematische Fragestellung, murmelt er, verlässt das Zimmer und macht sich für die Nacht fertig.
    Lautes Lachen dringt herüber und stört ihn beim Einschlafen. Er sagt: »Komm doch endlich, ich will dich riechen, lass mich dein Haar schmecken«, aber ganz leise, als wenn sie in ihm wäre, bei der Sehnsucht, bei der Angst, seine Lider schieben sich über die Augäpfel …
    und er bemerkt, dass die Blechbläser nachhinken. Erst sie, dann kommen die Streicher von der Melodie ab, und als ein Instrument nach dem anderen ins Taumeln gerät, bis schließlich auch der Pauker ohne Bezug zu den Noten wild hin und her trommelt, wendet Walter sich um in seinem Frack, um dem Publikum ein Zeichen zu geben, dass das Konzert vorbei ist.
    Da aber bricht ein solcher Lachsturm los, dass von dem ganzen kakophonischen Krach, den die Musiker veranstalten, nichts mehr zu hören ist.
    »Bravo, Mohnerlieser«, rufen die Leute, die sich aus ihren Plätzen erhoben haben, »bravissimo!«

Verwegene Hüte
    Unten liegt leblos der Hof. Erschrocken stellt Trixi fest, dass sie aufhört, sich Gedanken darüber zu machen, was Walter treibt und hinter welchen Märchen er es zu verstecken sucht. Zu Hause läuft Bob unglücklich zwischen ihnen hin und her. Noch immer kommt er schnurrend zu ihr, wenn sie auf dem Sofa liest, aber er wirkt traurig. Das einzige Gute besteht darin, dass er nicht mehr den ganzen Tag alleine ist, denn René Schach wohnt jetzt bei ihnen und hält sich die meiste Zeit zu Hause auf, während sie beide arbeiten. In den ersten Tagen, die er ihr Gast war, hat Walter ihn hinauszuekeln versucht. Er verlange, mit seiner Frau alleine zu sein, hat er René ins Gesicht gesagt. Das wäre verständlich gewesen, wenn irgendetwas von dem, was Walter und sie sich zu sagen haben, wirklich nur sie betreffen würde – sie oder das, was aus ihrer Liebe geworden ist. Walter malt abends in allen düsteren Farben die katastrophale Lage der Agentur und der ganzen Welt aus. Warum sollen seine Stimmungsbilder nur sie deprimieren und nicht auch Schach?
    Kürzlich, René war morgens schwimmen gegangen, hat sie Walter beim Frühstück gefragt, was eigentlich mit ihm los sei. Wieso klage er nur noch? Bedeute es ihm nichts mehr, dass sie zusammenseien? Gebe es nichts anderes mehr für ihn als den Beruf? Und wenn es tatsächlich so schlecht um die Agentur bestellt sei, wie er tue, solle er sie doch vielleicht einmal ins Bild setzen und den Grund verraten, aus dem Zabel und er plötzlich so wenig Aufträge ergatterten. Er hat sie traurig angesehen, das Messer sinken lassen und nichts gesagt.
    Ob sich denn die internationale Metallhandelsfirma, von der früher immer die Rede gewesen sei, nicht mal zu einem Auftrag für ihre Internetseiten durchgerungen habe, hat sie gefragt. Da müsse doch Geld fließen, viel Geld. Aber Walter murmelte nur etwas, das wie »bald bankrott« klang.
    »Euer Großkunde? Wie kann das denn plötzlich sein?«, ließ sie sich nicht abschütteln.
    Seine Miene brachte Ratlosigkeit zum Ausdruck.
    »Und nun?«
    Aber Walter sah sie nur stumm an.
    Kurz darauf steckte René Schach, vom Hallenbad zurückgekommen mit der Zeitung und einem Strauß Astern im Arm, den Kopf herein, nur um zu sagen, dass er zurück sei und um eine Vase bitte, dann zog er sich sofort geräuschlos auf sein Zimmer zurück, wohin ihm bald Bob folgte. Kaum war er weg, bewegte Walter, noch immer wortlos, die Hand wie einen Scheibenwischer vor den Augen hin und her: Als sei dieser Mann, der sich gerade in der Tür gezeigt hatte, nicht ganz bei Trost. Falls ihm Schachs Freude an Blumen so unbegreiflich erscheint, kann er dafür jedenfalls nicht auch noch den anderen verantwortlich machen – zumal der

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