Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
Vom Netzwerk:
Junge?«
    Bobs Schnurren hallt durch die Küche. Die Anwesenheit eines Fremden macht die Leere der Wohnung erst richtig spürbar. Anfangs haben sie Menschen um sich vermisst in diesen hohlen Räumen, ihre Freunde, die überall leben, nur nicht hier in der Stadt. Walter gibt Bob frisches Wasser und stellt die Milchtüte zurück in den Kühlschrank. Die Badezimmertür jault, Dielen knirschen. Es pocht.
    Schach streckt den Kopf in die Küche. Er habe Licht bemerkt, und da wolle er nur rasch nachschauen, ob er sich vielleicht irgendwie nützlich machen könne.
    »Wie wär’s mit einem Scotch?«, fragt Walter, der merkt, dass er noch keine Lust hat, ins Bett zu gehen. Er verschwindet nebenan und kommt gleich darauf mit einer Flasche Black Label im Arm und zwei hohen Gläsern zurück, nimmt aus dem Tiefkühlfach einige Eisbrocken und lässt sie klingelnd in den Whisky fallen.
    »Stört es, wenn ich meinen Tabak hole?«, fragt Schach.
    Tomm weist mit einer Kopfbewegung zum Fensterbrett, zu Trixis Clea und dem Aschenbecher. Die Küche füllt sich mit dem bekannten Aroma.
    »Sie können das nicht wissen: Solche Zigaretten waren damals bei uns in der DDR ganz was Besonderes. Ehrlich gesagt, die Karo hat auch nicht viel getaugt. Mir hat sie trotzdem geschmeckt.«
    »Meine Frau bezieht sie umständlich irgendwo anders her, ich glaube aus Slowenien. Deshalb ist sie etwas heikel damit. Verraten Sie besser nicht, dass ich Ihnen erlaubt habe, davon zu nehmen.«
    Walter trinkt einen guten Schluck. Er fühlt eine Last von sich genommen, ohne zu wissen welche. Zufriedenheit mit sich selbst, wie er sie schon länger entbehrt hat, füllt seine Brust. Der Fremde da vor ihm legt sich unentwegt ins Zeug, er erzählt in einem fort krauses Zeug, vielleicht erträgt er kein Schweigen. Der Whisky tut gut, und Walter lässt Schachs Geplapper an sich vorbeischwappen.
    »Als wir damals in Rochambeau landeten, noch den Anblick der Raketenanlagen von Kourou von oben im Kopf, habe ich mich gefragt, was dieser unendlich gleichförmige Urwald bedeuten mag, diese formlose Masse Baum. Möglicherweise ist man selbst ja genauso ohne Kontur und bildet sich die nur ein in einem Meer von Fleisch und Knochen.«
    Walter hört nicht zu. Wen interessiert, wie man sechs Meter Anakonda brät, einem Kaiman das Genick bricht und zu besonderen Anlässen Maden an Gold von der Ananas serviert?
    »Blablabla Kämpfer im einzigen Tropenwald, mit dem Frankreich aufwarten kann!«
    Wo bleibt Trixi? Wieso kommt sie ausgerechnet heute so spät, wenn er mal einen Gast mitgebracht hat! Wie erfährt sie, dass sie nicht alleine sind? Falls er es ihr nicht mehr sagen kann, muss er einen Zettel hinlegen. Hoffentlich sieht sie den auch, mitten in der Nacht. Aber auf eine bessere Lösung kommt er nicht. Das eben ist – findet Walter, während Schach irgendetwas vom Mururoa-Atoll schwätzt – ihr Hauptproblem miteinander: Trixi zwingt ihn fortwährend zu Umständlichkeiten mit unkalkulierbarem Ausgang. Ihr fehlt einfach der Sinn für geradlinige, schlanke Verhaltensweisen ohne überflüssige Komplikationen. Soll er etwa hier sitzen bleiben, bis sie endlich erscheint, vielleicht bis er zur Arbeit geht am Morgen, um sicherzustellen, dass Trixi in keine unangenehme Situation hineinstolpert, dass sie sich nicht erschrecken kann, nachdem er sich erlaubt hat, einem Bekannten ihr Gästezimmer anzubieten?
    Immer wenn er seine normalen Kräfte leise zurückkehren spürt, ist darauf Verlass, dass Trixi hier und da ein Schräubchen lockert und ein Stöckchen in die Speichen hält: Es soll eben nicht sein. Sie wacht argwöhnisch darüber, dass immer ein ausreichender Grad an Unsicherheit, Durcheinander und Kraftvergeudung gewahrt bleibt, über dessen Auswirkungen sie dann Klage führt.
    Da es offenkundig keinen Nachschub an Whisky gibt, beschließt Schach, der noch einiges zu erzählen hätte, sich zurückzuziehen. Sein leeres Glas stellt er ins Spülbecken und geht in sein Zimmer. Bob liegt zusammengerollt auf einem Küchenstuhl und schläft. Walter gießt sich noch einen Schluck ein und sieht ihm zu. Nach einiger Zeit wird ihm bewusst, wie ihn der Abend mit dem endlosen Warten auf Trixi und dem Gerede dieses Urwalddummkopfs so ermüdet hat, dass er sich jetzt unbedingt auch hinlegen muss. Mit großen Buchstaben schreibt er ACHTUNG ! WIR HABEN BESUCH ! auf einen Papierbogen, den er vor die Eingangstür legt, und geht schnell ins Bett, wo er sofort einschläft.
    Noch durch die Steppen der

Weitere Kostenlose Bücher