Alles Zirkus
Existieren üblere Tricks? Aber nicht mit ihm, Boss Mohnerlieser. Firmengroßboss Dirk Amy Mohnerlieser! Der Clown lächelt souverän.
Was gilt ihm ein Brett? König – wer soll das sein? Mögen sie selber im Dutzend die Könige ihrer kleinkarierten Spiele abgeben. Längst ist er wieder Herr der Lage: Hier kann die Kleine ihn mal besuchen, an seinem Chefschreibtisch, groß und weiß wie ein Bett. Sein Blick streicht versonnen aus dem Fenster des Fabrikantenbüros. Hoppla, da ist sie ja schon! Lächelt ihm lasziv ins Gesicht, den Morgenstern ihrer Begierde hoch erhoben – doch da bricht es aus ihr hervor. Sie schüttelt sich, sie kann nicht mehr. Ihre Hand, die Waffe hat sie fallen gelassen, zeigt auf Mohnerlieser, so als ob es da etwas zu lachen gäbe an ihm. Gut. Dann soll sie ihn so kennenlernen, dass ihr das Lachen im Hals steckenbleibt. Er wird sich ihr mit solcher Gründlichkeit vorstellen, dass ihr Gelächter in Schreie münden wird: Schreie der Lust, Schreie der Überwältigung! Schreie der Verzückung vor Übermächtigung durch ihn, den Boss, Dirk Amy Mohnerlieser.
Die Glasplatte hinterlässt scharlachrote Inseln auf Wange und Schläfe, aber ihm ist, als glühten sie tief hinein in den Kopf. Mit einem Spaziergang durch die frische Abendluft sucht er Ordnung in seine Gedanken zu bringen, zu Hause wird Trixi genau wissen wollen, was sich in der Agentur zugetragen hat.
Sie hört ihm ohne merkliche Regung zu. Am Ende sagt sie nur: »Jetzt hast du ja erreicht, was du wolltest.«
»Das war leider gar nicht ich, aber der Rest könnte stimmen«, entgegnet Walter gut gelaunt wie lange nicht. Dann wirft er einen Blick ins Gästezimmer, wo nichts Fremdes mehr stört, nur einen Strauß Nelken hat Schach zurückgelassen.
»Einen Tag länger, und ich wäre wirklich wahnsinnig geworden«, singt Walter fast, als er zurückkommt. Trixi hört ihn nicht, sie hantiert in der Küche mit Tellern und Gläsern fürs Abendessen. Intensives Obstroma weht herüber.
»Hast du hiesige Äpfel gekauft?«, ruft er.
Keine Antwort, nur ein eigentümliches Gluckern ist zu hören. Er sieht nach. Trixi steht über den Abguss gebeugt und schüttet gerade die zweite Flasche Calvados hinein.
Die Picasso-Hose
Zu den unerklärlichen Ärgernissen des Lebens zählt Walter Tomm den stets erneuerten Widerspruch zwischen feinsten Baumwoll-T-Shirts und den wie Messer in den Nacken schneidenden Etiketten aus synthetischen Fasern, mit denen sie versehen sind. Ab und zu gibt es nur eine Lösung, nämlich die Schere zu nehmen und die eingenähten Folterwerkzeuge zu entfernen – auch auf die Gefahr hin, das Trikotgewebe zu durchlöchern. Eine Qual weniger. Heute hat er sich nach längerer Unentschlossenheit vor dem Schrank schließlich für seine Picasso-Hose entschieden. Vielleicht handelt es sich um ein gutes Zeichen, er hat sie lange nicht getragen. Die markanten Karos verlangen, dass man sich ziemlich sicher auf den Beinen fühlt. Er nennt sie so, weil er sie nach dem Vorbild einer Hose schneidern ließ, die Picasso auch schon einem anderen, nämlich Courbet, abgeschaut hatte, der auf einem Selbstporträt darin mit seinem Hund Nero zu sehen ist. Das Beinkleid zweier Kraftprotze. Ihm steht es gut: hellblaue Linienkaros auf sandfarbenem Grund. Er ist von Trixi einmal in seiner Courbet-Picasso-Hose fotografiert worden, Bob sitzt auf dem Bild neben ihm, stolz eine breite dunkelrote Schleife um den Hals.
Wie eine Erleuchtung ist ihm an diesem Morgen der Umstand ins Bewusstsein getreten, dass der Brief des Professors, der seine Glaubwürdigkeit klarstellt, wahrscheinlich doch überhaupt noch dort liegt – sicherlich ramponiert, aber existent. Er erinnerte sich, wo ungefähr das sein musste. Also ist er vor der Arbeit in den Wald gefahren, um nachzusehen. Dort oben allerdings, wo alles gleich aussieht im trostlosen Einerlei der Stämme und Wipfel, hat er bald gemerkt, wie aussichtslos es ist, nach einem zusammengeknüllten Wisch im Unterholz zu suchen. Es führt kein Weg daran vorbei: Er muss sich eine Kopie besorgen – vom Urheber Maier. Anfangs bildete er sich noch ein, bei nächster Gelegenheit einfach so, ohne das Beweisstück, mit Trixi über die ganze Sache zu sprechen und das kleine Problem – wenn man denn unbedingt eines darin sehen will – auszuräumen. Mehr lag nicht vor, bloß dass er sich in Wahrheit bei Maier im Institut aufhielt. Na und? Was war dabei? Aber wie sich gezeigt hat, ist es unmöglich: Man kann nicht darüber
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