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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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Campingbeutel und haucht Sandra durch die Luft einen Kuss zu, bevor er die Tür hinter sich ins Schloss fallen lässt.
    Walter atmet auf. Wenn sie René Schach jetzt auch noch zu Hause loswerden, kann man sich vielleicht endlich wieder um die Arbeit kümmern. Auf dem Weg zur Nachmittagslage sieht er kurz bei Cora vorbei. Sie schaut fragend auf, wirkt aber wenig überrascht, als er hinter sich die Tür schließt und ohne Umschweife zur Sache kommt: »Kann ich auf dich zählen?« Falls er eine eigene Agentur gründen wolle, hätte er sie gerne dabei, sagt er. Ihre Ideen passten zueinander, sie ergänzten sich zu einem klaren Profil.
    »Natürlich«, sagt sie knapp.
    Walter nickt und geht. Im Besprechungszimmer steht Maurer neben seinem Laptop vor den anderen und klappert mit den Schienen im Gebiss, während er die Zéro -Reklame erläutert, wie sie Zabel und ihm vorschwebt: eine Abfolge aufgedrehter Texte und bonbonfarbener Bilder.
    »Wo ist denn Mirko?«, Walter dreht sich zu Sandra um.
    »Auswärtstermin. Äußerst wichtige Russen. Er meint, es könnten die lukrativsten Aufträge seit Jahren herausspringen – wenn er sie gewinnen lässt.«
    »Gewinnen lässt?«
    »Golf. Ihr sollt einfach ohne ihn weitermachen. Edgar hat Mirkos Shampoo-Konzept ohnehin so weit ausgearbeitet, dass jetzt ihr anderen am Zug seid, sagt der Chef.«
    Und die Klärung, die ansteht? Tomm sitzt mit dem unbefriedigenden Gefühl in seinem Büro, dass nichts vorangekommen ist. Ob es klug war, mit Cora schon über mögliche Konsequenzen zu sprechen, wenn sich nicht bald etwas tut? Weshalb hat er sich in ihre Hand begeben? Das Zirpen des Telefons holt ihn aus dem Sumpfland verzagter Melancholie zurück. Auf dem Display sieht er Trixis Namen und nimmt ihren Anruf entgegen. Sie scheint verwirrt und fragt ihn: »Was habt ihr in der Agentur mit René Schach angestellt?«
    Walter räuspert sich. Wer das sei, ihr? Mirko habe Schach gefeuert, wegen Illoyalität. Das sei alles.
    Walter hätte das nicht zulassen dürfen, sagt sie aufgebracht, wieder einmal werde Schach wie ein Taugenichts behandelt, noch ehe er überhaupt habe zeigen können, was in ihm steckt.
    Von seiner Erleichterung über diese Entwicklung lässt Walter nichts durchscheinen, sonst würde sie sich noch mehr aufregen. Um sie zu beschwichtigen, behauptet er sogar, auch ihm tue es ja leid für Schach, aber es habe keinen Spielraum gegeben, Mirkos Entscheidung zu beeinflussen.
    Überall sei Raum, einen zu verteidigen, der ohne eigene Schuld immer neu verurteilt werde, einen aussichtslosen Kampf auszufechten, bei dem seine Niederlage schon vor Beginn feststehe.
    Woher sie denn eigentlich schon vom Vorgefallenen wisse, fragt Walter.
    Schach sei mit seinen paar Habseligkeiten, die er aus der Wohnung geholt habe, bei ihr im Studio gewesen, um ihr den Schlüssel zurückzugeben und sich zu verabschieden. Natürlich habe sie versucht, ihn von seinem Entschluss abzubringen. Nicht allen sei egal, was mit ihm geschehe. Er habe sie nur angesehen, tiefe Traurigkeit in seinen Augen … Ihre Stimme bröckelt leicht und legt ihre südtirolerische Schicht frei. »Das kotzt mich alles an«, sagt sie, als sie sich wieder ganz im Griff hat, »jeder, der nicht ins Schema passt, wird aussortiert, entweder Norm oder Ausschuss. Ich kenne die Mentalität auch, die dahintersteckt – von den Fernsehleuten. Aber da täusche sie keiner: Meinen Lindner-Film mache ich, das verhindert niemand.«
    Ihre Art, die Sache zu sehen, ist irritierend. Es spricht Sympathie für Schach aus ihren Worten und wie sie gesagt worden sind – mindestens das. Ist vorstellbar, dass er gar nicht mitbekommen hat, wie sich da etwas angebahnt hat? Vom ersten Tag an, als die beiden vertraut plaudernd von ihm in der Küche überrascht wurden, gab es ja ein seltsames Einverständnis zwischen ihr und diesem Soldaten. Walter ist müde, sein Kopf heiß. Jetzt ist der Kerl Gott sei Dank weg, denkt er und legt die Wange auf die kühle Glasplatte.
    Die abstrahierten Figuren auf dem karierten Brett haben sich jetzt auch noch der Trennung in Weiß und Schwarz entledigt, um ihn fertigzumachen. Um ihn aus dem Spiel zu drücken, seine Stellung einzunehmen. Unerträglichkeit quetscht seine Brust zusammen. Rasender Puls scheint ihm die Stirn zu spalten. Ein undurchschaubares Gewoge grauer Bedrohung. Walter fasst sich ins Gesicht und spürt Pappe. Da hat ihm einer im Kampfgetümmel mit miesen Methoden von hinten eine falsche Nase umgebunden. Schweinerei.

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