Alles Zirkus
Auf die Wahrnehmung durch uns, auf Themen, die sie etwas angehen. Meinem Eindruck nach kommen wir so nicht zusammen. Denken Sie einmal in Ruhe über unser Gespräch nach. Es gibt ein paar gute Ansätze in ihrem Exposé, die es lohnend machten, neu an die Sache heranzugehen. Dann soll Gerber sich wieder melden.«
Trixi lacht und wippt mit dem Stuhl. Nach einer Pause steht sie auf und gibt Tobias Knabe die Hand. Warum ist er zu ihr gekommen?
Sobald er fort ist, greift sie zum Telefon. Pavol Schuster sitzt gerade im Auto. Oft genug hat er zu erkennen gegeben, dass er als Kameramann den Film mittragen will, so wie sie ihn plant. Hauptsache, es geht bald los, die Bezahlung kann notfalls warten. Das bekräftigt er jetzt unmissverständlich, auch wenn die Funkbrücke zwischen ihm im sonnendurchfluteten Wagen auf der A 1 bei St. Pölten und ihr hinter dem wolkengrauen Fenster zum Hof nur schwach und krächzend steht. Das langt. Pavol ist sofort einverstanden, sich mit ihr zu treffen, sobald er zurück ist. Fast unwirklich nach den Rückschlägen und deprimierenden Diskussionen, die sie in der letzten Zeit erlebt hat: Pavol kann es kaum abwarten, wieder mit ihr zu drehen. Sie nimmt einen Lappen, wischt energisch über verschmutztes Glas und wählt Bruno Gerbers Nummer.
Der trinkt gerade im Café Schwarzenbach in Zürich einen Tee. Ohne Umschweife kommt sie auf sein mehrfach wiederholtes Angebot zu sprechen: Bleibt es dabei? Leiht er ihr, was sie für die Herstellung des Films benötigt?
Gut – er werde also Monika in der Produktion verständigen, sagt Gerber knapp, wie es jetzt weitergehe. Trixi könne dann alles weitere mit ihr besprechen. »Das wird schon«, ermutigt er sie gelassen. Und überrascht, weil sie derlei nicht mehr gewohnt ist, hört sie noch sein »Viel Glück!«.
Bevor sie nach New York und Paris fliegt, ist einiges in Erfahrung zu bringen, auch wenn sie eigentlich präpariert ist – sie wird Monika bitten, mit der Produktion Gerber im Rücken schon einmal Drehgenehmigungen zu besorgen und Kosten abzuklären, die Liste hat sie fertig. Als erstes wird sie aber nach München fahren, um sich an Lindners letztem Wohnort vor seiner Flucht aus Deutschland umzusehen. Und Walter? Walter in seinem Kartenhaus aus Lügen und Befürchtungen muss jetzt für sich selbst sorgen. Es hat keinen Sinn, länger so zu tun, als sei alles beim Alten. Sie haben sich voneinander entfernt. Wie weit, das wird sich besser ermessen lassen, wenn Rituale und Alltagsfloskeln nicht mehr den Blick verstellen. Er soll sich um Bob kümmern, wenn sie in München ist – und im Übrigen tun und lassen, was er will.
Die Gründerzeitfassaden der Häuser, an denen sie auf dem Heimweg vorbeikommt, scheinen aus buntem Plastik gegossen, der dicke Acrylfarbenanstrich macht aus jeder scharfen Linie eine teigige Rundung. Hinter der Mauer des Botanischen Gartens frisst sich mit näselnder Hartnäckigkeit eine Motorsäge durchs Gebüsch. Zu Hause kommt Bob aus irgendeinem Versteck und streicht um ihre Beine, er ahnt, was sich vorbereitet. Trixi nimmt den blutigen Plastikbeutel aus dem Kühlschrank und schneidet etwas Rinderherz für den Kater auf, der sich sogleich optimistisch über die Extramahlzeit hermacht, wenn das Fleisch auch nicht mehr allzu frisch ist. Dann packt sie schnell und routiniert, ruft ein Taxi und bittet den Fahrer, Gas zu geben. Der ICE fährt um 17.32 Uhr, den will sie noch erwischen.
Unwetter
Walter schaut zum Himmel. Lange kann es nicht mehr dauern, bis der Regen einsetzt – um dann wahrscheinlich so bald nicht wieder aufzuhören. Die goldenen Tage dieses Herbstes sind vorüber. Noch bleibt genügend Zeit bis zur verabredeten Stunde, er kann in aller Ruhe zurückgehen, den Wagen holen und zum Institut für Diskrete Mathematik fahren. Einem Sturzguss vermag sein Regenmantel wenig entgegenzusetzen, er wirft ihn auf die Rückbank. Intensiv duftend kündigt das Leder der Sitze das Unwetter an. Er schaltet die Scheinwerfer ein und fährt los. Ein Blick auf die Uhr macht klar, dass er noch immer viel zu früh ankommen würde. Bei einer Kirche unterbricht er die Fahrt, um einen Augenblick nachzudenken. Noch hat er keine Ahnung, was er Maier überhaupt sagen will zum Auftritt dieses Clowns, den der von ihm erwartet. Vielleicht gibt es auf der Kirchenbank ja Hilfe von oben. Wenn er am Abend mit dem Brief nach Hause kommt, wo nun auch kein Fremdenlegionär mehr herumlungert, kann Trixi nicht (so wie sonst) tun, als sei sie auch
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