Alles Zirkus
wieviel sie ihm bedeutet – wie er sie liebt und sich danach sehnt, ihre Nähe zu spüren. Vielleicht sollte er ihr den Rat geben, sich doch besser einem anderen Thema zuzuwenden, wenn sie die Schwierigkeiten nicht verkraftet, ihren Film über einen vergessenen Maler unterzubringen. Überall wähnt sie dunkle Kräfte am Werk, die sie daran hindern wollen, diesen Stoff umzusetzen, den sie so großartig findet. Bekommt sie gar nichts mit von der Zeit? Vermag sie die Krise, in der die Welt steckt, einfach auszublenden? Sogar ihn beobachtet seine Frau inzwischen voller Misstrauen. Ein, zwei minimale Schlampereien, die ihm infolge seiner Überarbeitung unterlaufen sind, haben gelangt, ihr Zusammenleben aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ohne die Bitterkeit, die darin liegt, dass es sich um sie beide handelt, wäre fast zu bewundern, mit welcher Anschaulichkeit ein alchimistischer Prozess verläuft, der ein Nichts in Substanz verwandelt.
Dafür hockt nun ein arbeitsloser Soldat bei ihnen im Wohnzimmer, den sie aus Menschenfreundlichkeit aufgenommen hat. Trixi beklagt, dass ihrem Mann nichts mehr einfällt, wenn er abends kaputt nach Hause kommt. Schwer vorstellbar, wenn man dabei in das unerforschlich dumme Gesicht dieses Landsknechts zu schauen hat, der sich zwischen ihnen breitmacht, ihren Schinken isst und dazu die Korken knallen lässt. Seine Anwesenheit scheint Trixi nicht zu behindern. Sie ist froh, dass Bob Gesellschaft hat, und begibt sich beruhigt in ihre Schreibstube, wo sie unermüdlich Briefe aufsetzt, die doch noch Interesse für ihren Filmstoff wecken sollen. Wie steht wohl Trixi dazu, wenn Schach seine Tage allerdings nun hier bei ihm in der Agentur zuzubringen gedenkt, wo er Sandra an die Wäsche will, statt dem Kater Gesellschaft zu leisten und Trixis schlechtes Gewissen zu entlasten?
Walter versucht sich trotzdem auf seine Arbeit einzustellen, sein Blick geht über den Inhalt der Mappe, die ihm von Zabel auf den Tisch gelegt worden ist. Zéro ? Was hat Mirko sich bei diesem Quatsch und den Fotos dazu gedacht? Wo steckt er überhaupt? Wahrscheinlich trifft er sich wieder mit einem seiner Geschäftsfreunde, die zu allem imstande sind, nur nicht, den kleinsten Auftrag für Zabel und Freunde an Land zu ziehen. Herr Fu, der Maltliebhaber, zum Beispiel. Ist Mirko sich darüber im Klaren, dass Leute wie dieser Fu Biao bis auf den heutigen Tag lebenden Äffchen mit kleinen Hämmern die Schädeldecke aufschlagen, um ihr warmes Hirn auszulöffeln? Er schaltet routinemäßig den Computer ein.
»Wunder-wunder-wunderbare Witzperücken! Passend für alle Köpfe – Nur Hutgröße angeben (evtl. schätzen) u. sofort bestellen: Sensationell!!«
»Hallo August, hallo Weißclown – aufgepasst: Radikale Lacher garantiert! Begrenzte Abgabe nur gegen Vorlage einer gültigen Zwerchfell-Versicherung!«
Er fährt mit gespreizten Fingern durch sein Haar, von der Stirn her, so wie es fällt, über den Hinterkopf auf die Schulter. Langsam steht er auf, geht ans Fenster und denkt: Warum nicht hinausspringen?
Russen
»Wie die Mauer einer mittelalterlichen Festung ragt hinter dem Centre Spatial Guyanais senkrecht eine grüne Wand empor – der Urwald. Ein Schritt hinein, und diese Hölle nimmt dich gefangen.« Schach hat sich den kleinen Tisch neben Sandras Platz zurechtgerückt, wo er alle Akten, derer er habhaft wird, mit farbigen Karos markiert, was seiner Theorie nach dafür Sorge tragen wird, sie klar voneinander unterscheiden zu können, mit wiederum der Folge, jede einzelne davon allzeit aufzufinden. Nach dessen Mittagspause, von der Zabel leicht angetrunken zurückgekehrt ist, hat Walter ihn auf den wenig glücklichen Einfall angesprochen, diesen Exlegionär in der Firma zu beschäftigen. Mirko hat ihn verärgert angesehen: »Aber wohnen lasst ihr ihn bei euch?« Er glaubt immer noch, dass Walter (der noch nicht mal weiß, worum es sich dabei überhaupt handelt) die Akte verschludert hat, die nie wieder aufgetaucht ist. Anscheinend geht es darin irgendwie um das Shampoo, in das Mirko ganz vernarrt ist. Was denn dagegen einzuwenden sei, fragt er Walter, wenn einmal für Ordnung gesorgt werde bei ihnen – ruhig mit etwas militärischem Schliff. Und wenn alle »Dossiers« farbig bemalt sind, wie geht es dann weiter? Mit Waffenkunde? Immerhin verfügt René jetzt über ein eigenes Einkommen – Trixi hat sich angewöhnt, ihn so zu nennen, und lässt sich umgekehrt auch mit Vornamen von ihm ansprechen. Walter ist
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