Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Annäherung der UDSSR und Indiens zu fürchten.
In diesem Punkt teilten die indischen Freunde unsere Einschätzungen und Vorstellungen, mit denen ich im September in Krasnojarsk an die Öffentlichkeit ging. Damals begründete ich die Dringlichkeit und die guten Aussichten auf einen Abbau der Spannungen und einen Verzicht auf Konfrontation, auch auf der Ebene der Kernwaffen, der Kriegsmarine und Luftwaffe, auf ein Einfrieren und die Reduzierung der Rüstung und Militärstützpunkte. Nach Gandhis und meinen Vorstellungen sollte über einen Austausch zu Sicherheitsfragen in der asiatisch-pazifischen Region nachgedacht werden, möglicherweise zunächst zwischen der UDSSR , China und den Vereinigten Staaten als ständigen Mitgliedern des UN -Sicherheitsrats.
Anfang Dezember traf ich mich in Moskau mit dem chinesischen Außenminister Qian Qitschen. Wir erörterten eine breite Palette internationaler Probleme, verschiedene Lösungsmöglichkeiten und – das damals dringlichste Thema – prinzipielle Fragen zu einem Treffen der Staatsführung beider Länder. Sowohl in Moskau als auch in Peking wurde diesem Treffen eine zentrale Bedeutung für die Normalisierung der Beziehungen der beiden großen Staaten und Völker beigemessen.
Besonders hervorheben möchte ich mein Treffen mit dem Präsidenten der Sozialistischen Internationale Willy Brandt. Er machte sich Sorgen wegen der Anti-Perestrojka-Aktion um Nina Andrejewa und wollte sich persönlich davon überzeugen, dass die Perestrojka weitergeht und wir weder innen- noch außenpolitisch von ihr abrücken wollen. Als Führer der internationalen Sozialdemokratie versprach er, sich für eine »Perestrojka« des Verhältnisses der Sozialistischen Internationale gegenüber der Sowjetunion einzusetzen. Brandt betonte, trotz unterschiedlicher Ideologie werde die Distanz, die uns beide voneinander trenne, immer kleiner. Das neue Programm der Sozialistischen Internationale werde sich radikal von dem des Jahres 1952 unterscheiden. Es war stark vom Kalten Krieg, Antikommunismus und Antisowjetismus geprägt. [40]
Die Gespräche mit Brandt und die Verhandlungen mit Reagan, Kohl, Mitterrand und anderen politischen Führern Europas, Amerikas und Asiens lieferten wichtige Argumente dafür, die Prinzipien des neuen Denkens aktiver zu verbreiten. Unsere Außenpolitik verband die akuten Bedürfnisse der Welt immer besser mit denen unseres eigenen Landes. Aus diesem Grund sind falsche Unterstellungen und Behauptungen, die noch heute gegen die Fürsprecher der Perestrojka vorgebracht werden, sie hätten um jeden Preis gefallen, anderen nach dem Mund reden wollen, völlig unbegründet. Die Sachlage war ganz anders. Die heutige Welt ist eine Welt qualitativ neuer Abhängigkeiten und Verbindungen, deren internationale Dimensionen wachsen. Das neue Tempo, neue Perspektiven, aber auch neue Risiken und Widersprüche der Entwicklung bringen globale Probleme hervor, die praktisch alle Länder berühren und selbst von den größten nicht im Alleingang gelöst werden können. Dazu braucht es adäquate Institutionen und Normen, die auf einer neuen Weltordnung beruhen. Deshalb waren auch die Beschlüsse der 19 . Parteikonferenz so wichtig; denn durch sie waren die auf dem neuen politischen Denken beruhende internationale Politik der Führung der UDSSR und die aktive Beteiligung der Sowjetunion an einer friedlichen Weltpolitik gutgeheißen worden.
Unsere einheimischen Gegner des neuen Denkens rechtfertigt bis zu einem gewissen Grad allein der Umstand, dass selbst erfahrene politische Strategen der USA mit dem neuen politischen Denken lediglich katastrophale Niederlagen und Fehlschläge assoziierten und viele noch heute in dieser Weise denken. Diese Kurzsichtigkeit ist auf die Ideologisierung der internationalen Politik und der internationalen Beziehungen zurückzuführen.
Gestützt auf die Erfolge der Perestrojka, die, besonders im Bereich der politischen Demokratisierung, im Jahr 1988 trotz aller Schwierigkeiten und Probleme nicht mehr zu übersehen waren, beschlossen wir, der Weltgemeinschaft unser umfassendes und mit praktischen Maßnahmen untermauertes Konzept vorzustellen. Wir fanden, mit seiner konstruktiven Haltung und Perspektive verdiene es die Aufmerksamkeit der Generalversammlung der UNO , die im Dezember 1988 in New York tagte. Ich bereitete mich darauf in allen Richtungen äußerst gründlich vor.
Im Politbüro stand im November die Frage des militärisch-industriellen Komplexes unter den
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