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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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teilzunehmen auch die baltischen Republiken Interesse bekundeten. Ich unterschrieb dieses Programm am 5 . Juni. Es wurde unter dem Titel »Programm für ein gemeinsames Vorgehen des Ministerkabinetts der UDSSR und der Regierungen der souveränen Republiken zur Überwindung der Wirtschaftskrise durch den Übergang zum Markt« veröffentlicht. Schon im folgenden Monat wurde mit der Umsetzung begonnen.
    Ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung Russlands, in der es hieß, Russland bleibe Mitglied einer erneuerten Union, am 12 . Juni 1991 , fanden die Präsidentschaftswahlen in Russland statt. Mit 40  Prozent erhielt Jelzin mit Abstand die meisten Stimmen. Die übrigen Kandidaten (Ryschkow, Bakatin, Schirinowskij, Makaschow) bekamen deutlich weniger Stimmen. Die von der KPDSU unterstützten Kandidaten verloren in allen größeren Städten, also ausgerechnet dort, wo der Anteil der Arbeiterklasse und der Intelligenzija am höchsten ist. Es war ein Fiasko für die russische kommunistische Partei unter ihrem Vorsitzenden Poloskow und all jener im Politbüro, die sie lenkten.
    Da Jelzin legal und demokratisch zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt worden war, erkannte ich die Wahl an und besprach mit ihm, wie die Unterzeichnung des neuen Unionsvertrages vor sich gehen sollte. Der Text war endlich ausgehandelt, wir setzten den 20 . August als Termin für die Unterzeichnung fest.
    Übrigens billigte die Plenartagung des ZK der KPDSU im Juli das Projekt eines neuen Programms, nach dem sich die Kommunistische Partei in eine parlamentarische Partei sozialdemokratischer Orientierung verwandeln sollte.
    Mitte des Jahres 1991 herrschte ein relatives politisches Gleichgewicht zwischen dem Unionszentrum und der Führung der meisten Unionsrepubliken. Natürlich war dieses Gleichgewicht äußerst labil, schon allein, weil die ökonomischen Grundlagen geschwächt waren. Doch das sich abzeichnende prinzipielle Übereinkommen im Rahmen des » 9 + 1 -Treffens« hatte den Weg für weitere Bemühungen auf der Basis dieses neuen Kompromisses geöffnet. Es gab erneut Anzeichen für eine Mitarbeit seitens der Litauischen, Lettischen und Estnischen Republik. Perspektiven für einen Fortschritt in den wichtigsten Richtungen taten sich auf.
    Auf diesem Hintergrund traf ich mich am 30 . Juli, bevor ich meinen Urlaub in Foros auf der Krim antrat, wo ich mich auf die unmittelbare Vorbereitung der Unterzeichnung des Unionsvertrages konzentrieren wollte, mit Jelzin und Nasarbajew. In einem vertraulichen Gespräch stimmten wir die bevorstehenden und nach der Unterzeichnung des Unionsvertrags möglichen gemeinsamen Schritte ab. Wir einigten uns auf Wahlen des Unionspräsidenten, auf mögliche Umbesetzungen im Ministerkabinett und auf eine Änderung im Status dieses Gremiums.
    Der Augustputsch des Jahres 1991
    Die auf den 20 . August 1991 angesetzte Unterzeichnung des neuen Unionsvertrages konnte und sollte ein historisches Ereignis für unser Land sein. Sie sollte der Gesellschaft und der Welt signalisieren, dass die Mehrheit der neun Unionsrepubliken und das Unionszentrum bereit waren, die Lage in unserem Land durch gemeinsame Anstrengungen zu stabilisieren. Es sollten rechtliche Grundlagen für den Erhalt der Integrität des Unionsstaates geschaffen werden, um ihn durch Entwicklung föderativer Beziehungen demokratisch zu erneuern. Der Vertrag sollte die Gleichwertigkeit der Interessen von Zentrum und Republiken festschreiben und Raum für demokratische Reformen lassen. In einem Telefongespräch vom 14 . August beklagte sich Jelzin bei mir über den wachsenden Druck, den das »Demokratische Russland« auf ihn ausübe. Meine Antwort war kurz: »Du wirst für den Erhalt, ich für die Zerstörung des Reichs kritisiert. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.«
    Doch drei Tage später sah ich mich mit anderen Gegnern des neuen Vertrags konfrontiert. Eine Gruppe höchster Staats- und Parteifunktionäre hatte ein »Notstandskomitee« gebildet. Sie schnitten mich in meiner Datscha in Foros von allen Außenverbindungen ab, um mich, meine Familie und meine Mitarbeiter zu isolieren, und forderten ultimativ von mir, den Notstand auszurufen und meine Vollmachten als Präsident entweder Vizepräsident Janajew zu übertragen oder zurückzutreten. Ich wies alle diese Forderungen kategorisch von mir und erklärte ihnen, ein Notstandskomitee könne nur mit Wissen des Kongresses der Volksdeputierten oder des Obersten Sowjets eingerichtet werden. Sie

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