Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Verhandlungen über die Unterzeichnung eines neuen Unionsvertrages stecken in einer Sackgasse, der Austritt aus der UDSSR und die Unabhängigkeit der Staaten ist eine reale Tatsache«. Dabei waren erst zwei Wochen seit dem 25 . November vergangen, an dem die Führer von sieben Unionsrepubliken das Projekt des Unionsvertrags an die Parlamente weitergeleitet hatten, wie ein von ihnen unterzeichnetes offizielles Communiqué belegt. Und wenn die Verhandlungen wirklich in einer Sackgasse steckten, warum wurde das nicht im Staatsrat der UDSSR in Moskau vorgebracht, wo all diese Verhandlungen stattfanden, und zwar auf der Grundlage und in Übereinstimmung mit den Vereinbarungen von Nowo-Ogarjowo? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil die Verhandlungspartner der anderen Republiken, allen voran die von Kasachstan, bis zuletzt in Moskau für einen »konföderativen Unionsstaat« eingetreten waren.
Entgegen der Behauptung der Verschwörer von Belowesch waren nicht alle Republiken aus der Union ausgetreten. Die Mehrheit der Unionsrepubliken hatte nichts dergleichen erklärt. Wie kommt die »Troika« in ihrem Alleingang zu dieser Behauptung, und wer hat sie dazu ermächtigt? Darauf gibt es keine Antwort, und schon gar nicht eine, die dem Recht standhielte. Die von den Republiken nach dem Putsch erklärte Unabhängigkeit schloss weder rechtlich noch faktisch die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit aus, sich freiwillig an der Union zu beteiligen und einen konföderativen Unionsstaat zu schaffen. Im Gegenteil: Die Schaffung eines solchen Staates war von objektivem Nutzen und entsprach dem Willen der absoluten Mehrheit der Bevölkerung.
Die Vereinbarung von Belowesch behauptet: »Als völkerrechtliches Subjekt und geopolitische Realität existiert die UDSSR nicht mehr.« Und das, obwohl sich die Völker der UDSSR bei dem Referendum vom 17 . März 1991 für den Erhalt der Union ausgesprochen hatten. Was dort eilends und heimlich inszeniert wurde, kam einer verschwörerischen Sezierung – um einen medizinischen Ausdruck zu gebrauchen – eines lebendigen, wenn auch massiv traumatisierten Subjekts gleich, einer Zerstückelung seines Körpers. Hauptakteur bei dieser Operation war der russische Präsident.
»Ohne Russland hätte es die Vereinbarung von Belowesch nicht gegeben, ohne Russland wäre die Union nicht auseinandergebrochen« – so äußerte sich später der Präsident Kasachstans Nasarbajew. [44] Und Jawlinskij, den Jelzin nicht ohne Grund gegen Gajdar eintauschte, urteilt: »Jelzin und sein Kreis hatten klare politische Ziele, die für sie Priorität hatten und die sie unbedingt erreichen wollten. Vor allem den schnellen (binnen eines einzigen Tages vollzogenen) nicht nur politischen, sondern auch wirtschaftlichen Zerfall der Union, die Abschaffung aller möglichen wirtschaftlichen Koordinationsorgane, inklusive der für die Finanz-, Kredit- und Geldsphäre und die allseitige Loslösung Russlands von allen Republiken, inklusive derjenigen, die das gar nicht wollten wie Weißrussland und Kasachstan …« [45]
Die Auftraggeber für dieses Programm waren Jelzin und der radikale Flügel seiner Partei »Demokratisches Russland«, die von der utopischen Allmacht eines freien Marktes in Russland überzeugt waren. In dieselbe Richtung ging schon das bereits 1990 vom »Demokratischen Russland« formulierte Ziel eines »Übergangs von der jetzigen Führung der UDSSR mit Gorbatschow an der Spitze« zu »Parallelstrukturen«, die die Unionsführung »zurückdrängen« und die Grundlage für eine zukünftige Staatengemeinschaft bilden sollten.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Krawtschuk nach seinem eigenen Bekenntnis [46] »das Dokument noch schnell am Abend unterschrieb, ohne Diskussionen und Rücksprachen«. Es habe an der Überzeugung gefehlt, dass »die Menschen unsere Entscheidung richtig finden und als legitim ansehen«. Damit trifft Krawtschuk den Nagel auf den Kopf. Unter dem Gesichtspunkt der Legitimität sind die Vereinbarung von Belowesch, der ganze Vorgang und die konspirativen Umstände völlig indiskutabel. Machtdrang, politische und persönliche Interessen hatten hier eindeutig die Oberhand über rechtliche Zweifel gewonnen.
Warum diese Eile?
Eine Fernsehsendung, die anlässlich des fünften Jahrestags des Zerfalls der UDSSR ausgestrahlt wurde, ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Unter anderen nahmen Schachnasarow, Schuschkewitsch und Burbulis daran teil. Der Moderator fragte Burbulis: »Das Projekt der
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