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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Interview nach der Rückkehr aus Foros, 22 . August 1991
    Der Verrat von Menschen, die ich gut zu kennen glaubte und die hinter meinem Rücken einen Putsch vorbereitet und ausgeführt hatten, erschütterte mich sehr. Das Problem war nicht nur, dass sie mein Vertrauen nicht verdient, mich betrogen und verraten hatten; das Problem war, dass ich mich selbst getäuscht und ihre menschlichen, moralischen und politischen Qualitäten deutlich überschätzt hatte. Auf dem Höhepunkt der Perestrojka, als sich gerade neue Perspektiven eröffneten, verrieten meine »Protegés« zynisch die demokratischen Ziele und Ideale, derentwegen die historische Erneuerung unseres Landes in Angriff genommen worden war. Und sie zogen diesen Idealen Gewalt, Einschüchterung und Betrug vor – ganz zu schweigen von ihren verbrecherischen Rechtsverstößen.
    Ein schwerer Schlag war auch das Verhalten eines Teils der ZK -Sekretäre, die nicht gegen die Verschwörer aufgetreten waren oder sie sogar unterstützt hatten. Nur ein paar Genossen waren die Ausnahme. Unter diesen Umständen entschied ich mich schweren Herzens, die Verpflichtungen als Generalsekretär des ZK der KPDSU niederzulegen, und empfahl dem ZK der KPDSU , sich für aufgelöst zu erklären. Dabei lag mir nicht daran, die ganze Geschichte und Arbeit der UDSSR in den Dreck zu ziehen. Das Problem war, dass die Nähe zur Macht die Kader zu bürokratisch hatte werden lassen; sie hatten die negativen Eigenschaften des überlebten Kommandosystems zu sehr verinnerlicht. Die Ereignisse vor und während des Putsches bestärkten mich in dieser Einschätzung.
    Hervorheben muss ich dagegen Jelzins Haltung, der den offenen Kampf gegen das Notstandskomitee aufnahm. Ein Sieg der Putschisten hätte das Land weit zurückgeworfen und zu schwer vorhersehbaren negativen Folgen geführt. Die Kehrseite der Medaille dabei ist nur, dass Jelzin nicht rechtzeitig anhielt und seinen Kampf dann gegen den Unionsstaat richtete, in dem er die Hauptgefahr für Russlands Souveränität sah.
    An den Tagen des Putsches und unmittelbar danach, als ich bereits aus Foros zurückgekehrt war, unterschrieb Jelzin alle möglichen verfassungswidrigen Erlasse, mit denen er die Unionsorgane den Organen der russischen Republik unterstellte. Vertreter der Russischen Föderation wurden in die Unionsinstitutionen geschickt, um deren Anordnungen zu kontrollieren, zu ändern oder aufzuheben. Mit einem Erlass billigte ich das Verhalten des russischen Präsidenten während des Putsches, verbat mir aber weitere Übergriffe Jelzins in der genannten Richtung; denn sie verstärkten nur die separatistischen Neigungen in den Republiken, die die Betriebe und Institutionen der Union auf ihrem Territorium schnellstens »privatisieren« wollten.
    Leider hörte Jelzin aber nicht auf, die Zerstörung der Sowjetunion zu betreiben.
    Geheimoperation zur Auflösung der Union
    Als Jelzin mich Ende Dezember 1991 von seiner bevorstehenden Reise nach Minsk informierte, verschwieg er die Hauptsache: Die Präsidenten Russlands und der Ukraine und der Vorsitzende des weißrussischen Parlaments Schuschkewitsch hatten vor, im Geheimen Dokumente zu unterzeichnen, die die rechtlichen und politischen Grundlagen der Sowjetunion aufkündigen und unter dem Deckmantel der Schaffung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten die Auflösung der Sowjetunion proklamieren sollten.
    Das Treffen fand in der Belowescher Regierungsresidenz Wiskuli in der Nähe der polnischen Grenze unter strengster Geheimhaltung und spezieller Bewachung statt. »Wir haben hart gearbeitet, aber in guter Stimmung, die Spannung wuchs mit jeder Minute«, erzählte Jelzin später. (Wie er die Stimmung zu heben pflegte, ist ja bekannt.) Den russischen Präsidenten berieten Burbulis, Gajdar, Kosyrew und Schachraj. Sie arbeiteten die ganze Nacht durch, »denn es war klar, dass die Vereinbarung an Ort und Stelle unterschrieben werden musste«, gab Jelzin zu.
    Aber warum an einem Ort, in einem Forst, der schwer erreichbar war für die Presse, das Fernsehen, Vertreter der Öffentlichkeit und des diplomatischen Corps? Weil ihnen klar war, dass sie etwas taten, das die Öffentlichkeit scheute und ihr nur als vollendete Tatsache vorgesetzt werden konnte. Am 8 . Dezember unterschrieben Jelzin, Krawtschuk und Schuschkewitsch als Staatshäupter der drei Staaten Russische Föderation, Ukraine und Weißrussland die Vereinbarung über die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.
    In den Dokumenten hieß es, »die

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