Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Belowesch im Dezember. Das waren im Grunde genommen zwei Staatsstreiche, die trotz aller Unterschiede ihrer Anführer eine große Ähnlichkeit haben:
Erstens: Der eine wie der andere war eine Verschwörung und wurde geheim, hinter dem Rücken des Volkes vorbereitet.
Zweitens: Der eine wie der andere verstieß aufs Gröbste gegen die Verfassungen der Union und der Republiken.
Drittens: Der eine wie der andere beruhte auf Lug und Trug.
Viertens: Der eine wie der andere richtete sich gegen Gorbatschow, führte aber zur Zerstörung des Staates (der eine faktisch, der andere ganz zielgerichtet).
Aber die wichtigste Ähnlichkeit dieser beiden Staatsstreiche bestand darin, dass dahinter in Wirklichkeit die Interessen der Nomenklatur standen. Im einen Fall der Teil der Nomenklatur, der seine Macht und Privilegien zu verlieren fürchtete; im anderen Fall der Teil, der bei den neuen republikanischen Machthabern seine Verfügungsgewalt über das Eigentum, das als »Unions«-, »Volks«- oder »Staats«-Eigentum firmierte, anmelden und »legalisieren« wollte.
Der erste Staatsstreich scheiterte, weil er rechtzeitig von der Öffentlichkeit als Rückfall in die Jahre vor der Perestrojka erkannt wurde. Der zweite Staatsstreich hatte Erfolg, weil er sich derselben demokratischen Losungen wie die Perestrojka bediente und eine schnelle Überwindung der Krise und Weiterentwicklung der Demokratie versprach. Mit anderen Worten: Die alte Nomenklatur hatte es nicht geschafft, das Volk zu betrügen, der neuen Nomenklatur um Jelzin aber gelang das anfangs.
Schnell zeigten sich aber auch wichtige Unterschiede. Während die Putschisten vom August sich nicht trauten, auf das russische Parlament im Weißen Haus zu schießen, hatte Jelzin im Oktober 1993 keinerlei Skrupel, das zu tun. Dabei spielte eine »Nuance«, über die man bis heute nicht spricht, eine wichtige und bezeichnende Rolle. Jelzins Entschiedenheit hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass er sich vorher der Zustimmung und Unterstützung führender Persönlichkeiten etlicher westlicher Länder vergewissert hatte, die ihm dieses Vorgehen sehr schnell »verziehen« oder einfach nicht bemerkt haben wollten.
Die Perestrojka in der heutigen Welt
Ich möchte noch auf ein anderes Thema eingehen, nämlich den Kampf um die Perestrojka im Westen. Selbstverständlich wurde das Schicksal unseres Landes und der Perestrojka in erster Linie innerhalb der Sowjetunion entschieden und hing vor allem von dem Zustand unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft, von den Proportionen der innenpolitischen Kräfte ab. Das lässt sich nicht bestreiten. Aber die Union existierte nicht in einem Vakuum – vieles hing von der internationalen Lage ab; von unseren Beziehungen zu den Nachbarländern und den Großmächten, von unserer Stellung in der Welt überhaupt. Da die Perestrojka akut notwendige Erneuerungen einer der beiden Supermächte anstrebte, betraf sie die ganze Weltgemeinschaft. Diese verfolgte aufmerksam die mit der Perestrojka eingeleiteten sozialpolitischen Prozesse. Anfangs hielt man die Perestrojka im Westen für eine reine Propagandakampagne, auch in den Vereinigten Staaten.
Im Oktober 1987 geriet Boris Jelzin als auffälligster und spektakulärster Widersacher der Führung unter Gorbatschow in den Fokus amerikanischer Experten. Als Jelzin im September 1989 in die USA reiste, empfing der Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten, General Brent Scowcroft, ihn in einem Zimmer im Weißen Haus, in dem auf einmal George Bush für eine Viertelstunde auftauchte. Jelzin machte damals keinen großen Eindruck auf ihn.
Wie aus später bekannt gewordenen Veröffentlichungen ersichtlich, versuchten eine Reihe hochgestellter Mitarbeiter der CIA und der Verteidigungsminister Cheney persönlich, ab Beginn des Jahres 1990 den amerikanischen Präsidenten davon zu überzeugen, sich von dem »monozentristischen« Gorbatschow abzuwenden und Jelzin zu unterstützen. Das Argument dafür war, die politischen Pläne Jelzins, nämlich Aufteilung und Auflösung der Sowjetunion und Einführung eines nicht vom Staat begrenzten freien Marktes in Russland, entsprächen den nationalen Interessen der USA eher als die politische Linie Gorbatschows, der den staatlichen Sozialismus nur abschwächen und zu einer »regulierten« Marktwirtschaft übergehen wolle. [49] Gates schreibt: »Die CIA war ein klarer Anhänger Jelzins, sie unterstützte ihn nicht nur verbal, sondern auch durch eine Reihe von Bewertungen, die
Weitere Kostenlose Bücher