Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
sagte mir im Verlauf all dieser Gespräche jemand: »Gucken Sie bei Schibajew (damals Erster Sekretär des Gebietskomitees Saratow), wie man das Problem der Bewässerung lösen muss: Bei Ihnen ist es sehr teuer, das Zweieinhalb- bis Dreifache von dem, was es in Saratow kostet.« Ich sagte, wir machen alles nach Plan und leisten uns nichts, was überflüssig wäre.
Und wie sahen die Saratower Bewässerungsanlagen aus? Das habe ich mitgekriegt, als ich Landwirtschaftssekretär des ZK war. Die Saratower drangen auf eine radikale Verringerung der Flächen bewässerten Bodens, weil er nichts brachte. Ihre Methode war einfach: Sie errichteten Pumpstationen zur Entnahme von Wolgawasser und pumpten es hoch, um damit die Felder und Weiden zu begießen. Zwar wuchsen auf diesen befeuchteten Böden auch Futterpflanzen, aber im Ganzen war das ein Schildbürgerstreich und endete damit, dass die Böden schnell unfruchtbar wurden. Ein Teil versumpfte, der andere versalzte, bis man sie schließlich ganz abschreiben musste. Und es erforderte später eine Menge Arbeit, um sie wiederherzustellen.
Aber zurück zu Breschnews Frage: Wann ist der Bau des Kanals endlich fertig? Wenn wir uns anstrengten, konnten wir die Frist um ein Jahr verkürzen. An der Stelle, wo die Wasser des Kuban durch den großen Stawropoler Kanal zu den trockenen Steppen des Stawropoler Landes abbiegen, kam die Losung auf: »Der Kuban fließt wider Willen, wo die Bolschewiki wollen. Wenn die Bolschewiki wollen!«
Ohne das Ende des Baus der Bewässerungsanlagen über die Länge des ganzen Kanals abzuwarten, nahmen wir die fertigen schon in Betrieb. Auf diese Weise hatten wir eine verlässliche Basis, um das Vieh füttern zu können. Das war ein Riesensieg.
Das Stawropoler Land ist berühmt für seine feinwolligen Schafe. Um die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs ermessen zu können, muss man wissen, dass 27 Prozent der gesamten feinen Wolle der Russischen Föderation aus unserer Region kommt. Wenn das Vieh Anfang Frühling nach dem Lammen auf die Weide getrieben wurde, erreichte sein Bestand ungefähr 10 Millionen. Ich weiß nicht, warum, aber Breschnew hatte diese Zahlen immer im Kopf; offenbar verband er sie mit den Besonderheiten unserer Region. Jedes Mal, wenn wir uns unter vier Augen oder mit anderen Sekretären trafen, löcherte er mich: Was macht der Kanalbau? Und die zweite Frage lautete: Was macht das »Schafreich«? Sodass ich, schon bevor ich Generalsekretär wurde, über ein Reich gebot.
In unserer Region wurden neue Rassen gezüchtet und in andere Regionen geliefert. Unsere Schafe lieferten anderthalb bis zweimal so viel Wolle wie die Schafe anderer Regionen. Ich will nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber es gelang uns, Lösungsansätze zu finden. So erreichten wir die Annahme des Beschlusses des ZK der KPDSU und des Ministerrats der UDSSR »Über die Weiterentwicklung und Sicherung der materiellen und technischen Basis für die Zucht reinrassiger feinwolliger Schafe in der Region Stawropol«.
Ende der siebziger Jahre konnten dann Hunderttausende von Rasseschafen aus unserer Region weiterverkauft werden. Besonders wertvolle Exemplare gingen auch nach Indien, in die Länder Zentral- und Osteuropas und in arabische und asiatische Länder. Das brachte hohe Einnahmen. Es wurde mehr Wolle geschoren, und ihre Qualität war merklich gestiegen. Endlich rentierte sich die Schafzucht.
Was uns noch zu schaffen machte, war die Fleischproduktion. Das Stawropoler Land war zu hohen Fleischlieferungen in andere Regionen verpflichtet. Die Situation auf dem Markt für tierische Erzeugnisse hatte sich damals extrem verschlechtert. Nicht nur die Industriezentren, sondern auch das Kuban-, das Dongebiet und das Stawropoler Land, die größten Produzenten und Lieferanten von Getreide, Fleisch, Milch, Gemüse und Obst für den Markt litten Not. Unsere Region musste 75 Prozent, die Region Krasnodar 80 Prozent und Rostow 56 Prozent des erzeugten Fleisches abliefern. Die Planauflagen waren so hoch, dass, um sie erfüllen zu können, auch das Vieh in den privaten Nebenwirtschaften hinzugezogen werden musste. Alles ging dabei drauf, die Kontrollen waren streng und lückenlos. Infolgedessen wurde die Versorgung der eigenen Bewohner mit Fleischprodukten schlechter und schlechter. Immer häufiger wurde man deswegen bei Reisen durch die Städte und Dörfer von der Bevölkerung angegriffen. Im Chemiekombinat Newinnomysk wurde ich beschuldigt, mich beim ZK
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