Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Ernteerträge in den letzten hundert Jahren«. Bald darauf fand eine Politbürositzung statt, zu der ich noch nicht einmal geladen war, denn Breschnew trug unser Anliegen selbst vor. Wie mir ausgerichtet wurde, bemerkte er dabei: »Man muss die jungen neuen Leiter unterstützen, sie gehen die grundsätzlichen, die Staatsfragen an.«
Am 7 . Januar 1971 verabschiedeten ZK und Ministerrat die Resolution zum Bau des großen Stawropoler Kanals und der Spreng- und Berieselungsanlagen. Es wurden große Mittel bereitgestellt. Die Baustelle wurde zur Schwerpunktbaustelle des Komsomol erklärt. Tausende junger Leute kamen in die Region, und auch die technischen Hilfsmittel wurden bereitgestellt. Eine besondere Aufgabe, den Bau von drei Tunneln, sollten U-Bahn-Spezialisten übernehmen. Die Arbeiten gingen zügig voran, und schon 1974 konnten wir die ersten Erfolge feiern: im April den Durchstich des Tunnels unter den Krymgirej-Hügeln, im November die Inbetriebnahme des zweiten Bauabschnitts des Großen Stawropoler Kanals.
Die Pläne wurden Wirklichkeit. Wir mussten ein optimales Verfahren für den Ackerbau in unserer Gegend finden. Viel zu verdanken haben die Stawropoler dem ortsansässigen Landwirtschaftlichen Forschungsinstitut mit seinem Leiter Nikonow, dem späteren Präsidenten der Akademie für Agrarwissenschaften. Aber der eigentliche Entdecker der Nutzung bewässerter Böden in den Trockensteppen war der Kolchosvorsitzende Nikolaj Tereschtschenko.
Sobald ich seinen Namen nenne, kommt mir seine Geschichte in den Sinn. Die Bekanntschaft mit ihm begann mit einem Verfahren gegen ihn. Noch zu Kulakows Zeiten wurde im Büro des landwirtschaftlichen Regionskomitees die Frage des Parteiausschlusses von Tereschtschenko behandelt, und zwar wegen Anwendung unerlaubter Methoden bei der Leitung der Kolchose. Man hatte diesen jungen ausgebildeten Agronom in eine rückständige Kolchose in der Trockensteppe geschickt, und als Erstes hatte er sich leidenschaftlich für die Infrastruktur und den Ernteertrag eingesetzt. Aber die Dorfbewohner hatten eine Schwäche. Da die Kolchose ihnen kein Auskommen gab, war Diebstahl des Kolchosegutes an der Tagesordnung. Was Tereschtschenko besonders aufbrachte, war der nächtliche Diebstahl der Futtermittel. Und er griff zu extremen Mitteln: Er fuhr mit einem Kleinkalibergewehr durch die Gegend und erschoss die Maulesel, die die Räuber benutzten.
Im Büro war man im Zweifel. Alle fanden, man brauche erst mehr Material, bevor man eine endgültige Entscheidung treffen könne.
»Fahr hin, Michail, und mach dir vor Ort ein Bild«, beauftragte mich Kulakow.
Ich fuhr für ein paar Tage zu dieser Kolchose. Die Fakten stimmten. Als der Diebstahl ungeheure Ausmaße annahm, hatte sich Tereschtschenko wirklich zu unerlaubten Methoden hinreißen lassen, er war einfach geplatzt. Ich kam zu dem Schluss, man müsse die Situation entschärfen, indem man den jungen Vorsitzenden unterstützte.
»Wie soll man ihn denn unterstützen?«, fragte Kulakow, als ich dem Büro berichtet hatte. »Gibt es denn etwas Positives in dieser Kolchose?«
»Jawohl, Erfahrung mit der Bewässerung des Bodens.« Meine Antwort kam prompt, ohne Zögern.
Wir fanden eine Lösung, auf die ich nie gekommen wäre: die umgehende Durchführung eines Regionsseminars für die Regionsleiter zum Erfahrungsaustausch über den effektiven Einsatz bewässerter Böden. Auch Tereschtschenkos Versuch, Brachen einzuführen, was sich positiv auf die Stabilität der Getreidewirtschaft und den Ernteertrag auswirkte, studierten wir.
Tereschtschenkos Methode war ganz einfach. Er verlegte die Getreidekulturen von den bewässerten auf die trockenen Böden, wobei diese zuvor einer grundlegenden Aufbesserung mit Brachland und Dünger unterzogen wurden. Die freigewordenen bewässerten Böden wurden für Futterkulturen genutzt.
Die Methode hatte Erfolg. Aber diese Herangehensweise stimmte nicht mit dem ZK -Beschluss zur Landwirtschaft von 1966 überein. Wir mussten die Richtigkeit dieser Methode erforschen und nachweisen. Und wir mussten die Methoden in der Region unter die Lupe nehmen.
Während der Kanal gebaut wurde, experimentierten wir gleichzeitig, wie man unter unseren Bedingungen die bewässerten Böden optimal nutzt. Ich bewaffnete mich mit allen nötigen Analysen und Einschätzungen und machte mich nach Moskau ins ZK zu Kulakow auf. Er hörte sich alles aufmerksam an, sah alle Papiere durch und sagte: »Was soll ich dir sagen? Wenn du dich mit
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