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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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einschmeicheln zu wollen, alles in andere Regionen zu verschicken und meine Verantwortung für die Einwohner des Stawropoler Lands zu vernachlässigen.
    Die Unzufriedenheit der Bewohner der Region nahm brenzlige Formen an. Ich beschloss, einen Bericht ans ZK der KPDSU zu schreiben und um eine Neuregelung der Verteilung der Lebensmittelressourcen zu bitten. Die Kubaner machten dasselbe. Das Sekretariat des ZK unter dem Vorsitz von Suslow diskutierte beide Berichte und rief das Sowjetische Ministerium der Russischen Föderation auf, die Situation zu überprüfen. Im Gespräch mit Solomenzew wurde mir gesagt: »Ihre Bitten sind berechtigt, aber die russische Regierung sieht sich nicht in der Lage, etwas daran zu ändern.« Damit hatte sich der Kreis geschlossen.
    Also mussten wir die Sache selbst in die Hand nehmen. Wir kamen auf die Idee, in anderthalb bis zwei Jahren neue Möglichkeiten in der Geflügelindustrie zu schaffen, indem wir die ganze Geflügelzucht in 28  Großbetrieben konzentrierten und einen Teil der Planablieferungen auf die Geflügelindustrie verlegten. Was in den Nebenwirtschaften produziert wurde, sollte dagegen für die Versorgung der Einwohner verwandt werden. Mein Plan war, die Billigung für die Ausdehnung der Geflügelzuchtanlagen zu erreichen, dann würde das Futter von selbst kommen, denn die Geflügelindustrie gehörte zu den Prioritäten Russlands. Ein listiges Manöver? Vielleicht. Aber ich hatte keine Gewissensbisse, denn das Stawropoler Land lieferte dem Staat große Mengen Getreide.
    Wir hatten die Unterstützung von Nikolaj Wasiljew, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Regierung der Russischen Föderation. Er war ein leidenschaftlicher Befürworter der Industrialisierung der Landwirtschaft. Das Programm wurde binnen zwei Jahren verwirklicht. Das Regionskomitee stoppte vorübergehend den Bau zu Produktionszwecken, um die Baukapazitäten für die Geflügelgroßanlagen auszunutzen. Auch die Städte der Region halfen beim Bau der Anlagen. Bis zu meiner Abreise nach Moskau hatte sich die Geflügelfleischproduktion von 11 000 auf 44 000 Tonnen erhöht, später stieg sie auf 75 000  Tonnen. Gleichzeitig wurde ein Programm zur Unterstützung der individuellen Nebenwirtschaften und zur Gründung von Gartengenossenschaften rund um die Städte umgesetzt. Die Produktion dieser Genossenschaften kam der einheimischen Bevölkerung zugute. Daraufhin entspannte sich die Situation dauerhaft.
    In diesen Jahren musste die Industrialisierung der Region vorangetrieben werden. Das Stawropoler Land wurde Zentrum elektronischer, elektrotechnischer und chemischer Industrie, Zentrum der Zementindustrie sowie des Maschinenbaus. Neue Kraftwerke und die Renovierung der alten befreiten die Region vom ständigen Energiemangel – später floss diese Energie sogar in die Nachbargebiete. Hinzu kam, dass Siedlungen mit Gas versorgt und Straßen gebaut wurden, die nicht nur die Städte und Kreiszentren, sondern auch die meisten Dörfer miteinander verbanden. Auch die Modernisierung der Leicht- und Schwerindustrie wurde in Angriff genommen.
    Als nun Bittsteller aus den Ministerien und den Behörden ins Stawropoler Land kamen, um eine Erlaubnis zum Bau neuer Betriebe oder zum Ausbau der alten zu erhalten, nutzten wir das, um die Lösung sozialer Probleme von ihnen zu fordern. Wir mussten Gesamtpläne erstellen und nahmen zu diesem Zweck die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Zentren der Hauptstadt auf. Das erhöhte die gesamte Arbeitsleistung, machte unsere Regionalpolitik solider und half, Fehler zu vermeiden.
    Auch mit den Kurorten von Kawkaskije Mineralnyje Wody mussten wir uns befassen. Zweieinhalb Millionen vorangemeldete und zweimal so viele spontane Gäste aufzunehmen und zu bedienen, ist kein Kinderspiel. Die Kurorte bewältigten die große Nachfrage nach Dienstleistungen nicht, die Kurortausstattung musste verbreitert und erneuert werden. Mit der Unterstützung von Kosygin und Masurow wurden in dieser Region Grundsatzentscheidungen möglich, die das Aussehen der Kurorte und deren Infrastruktur so verbesserten, dass danach ein regelrechter Boom einsetzte. Neue Sanatorien und Touristenherbergen schossen wie Pilze aus dem Boden, eine moderne Infrastruktur entstand. Der teure Umbau des Flughafens von Mineralnyje Wody begann. Er wurde einer der Großflughäfen des Landes.
    Wenn ich das alles so niederschreibe, frage ich mich, ob es dem Leser nicht zu viel wird: die ganzen Ernten, Dürren, Bewässerung,

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