Allmachtsdackel
springenden Punkten.
»Und Jürgen kann ich auch nicht einfach rausschmeißen. Hast du eine Ahnung, was du dir einhandeln würdest?«
»Wer sind die?«, fragte ich.
»Bitte?«
»Die, von denen Jürgen gesprochen hat. Die damit nicht durchkommen werden.«
Barbara blickte mich lange an. »Wer wohl! Von wem hat Victor denn diesen verdammten Flachmann bekommen?«
Von Richard, genau besehen.
»Barbara, ich glaube, du solltest wissen, dass Vicky was mit Jannik hatte. Er war mit ihm eine Woche auf Gran Canaria. Sonntag vor einer Woche sind sie zurückgekommen.«
Sie starrte mich an. »Und was bitte schön hat das damit zu tun, dass Victor im Hause Weber Gift verabreicht bekommen hat?«
»Warum denn überhaupt?«
»Das weiß ich nicht, Lisa. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht! Ich verstehe es auch nicht!«
Mein Handy brummelte. Das Display meldete Richard. Ich ließ es weiterbrummeln, bis er aufgab. Fünf nach sieben an einem Sonntagmorgen war allerdings die falsche Zeit, um sich nur zu erkundigen, ob ich gut in Stuttgart angekommen sei.
»Ich habe sowieso nie verstanden«, brach es aus Barbara heraus, »warum die Weber’sche Sippe uns nicht in Ruhe lassen konnte. Heilandsack, was haben mich die Prozesse Geld gekostet, die Martinus gegen uns losgetreten hat! Wegen des Grundstücks, wegen Tierquälerei. Dabei hat er die Rinder selber angeschossen.«
Das grenzte langsam an Verfolgungswahn. »Warum hätte er das denn tun sollen, Barbara!«
»Ich weiß es nicht, Lisa. Ich habe schon lange aufgehört, mich zu fragen, was diesen alten Mann getrieben hat, seinen Mitmenschen das Leben schwer zu machen. Allein die Diskussionen! Was haben die mich Zeit gekostet! Dass die Kinderbibel die Hölle verniedlicht. Dass man Kinderpopos pudern muss, weil die Heiden sie ölen. Und immer sind die Mütter schuld, wenn die Kinder missraten. Ich sowieso, weil Jürgen ja nicht viel zu melden hat. Wenn die Kinder rauchen, dann war die christliche Erziehung nicht konsequent genug. Wenn die Tochter ein Heckenkind heimbringt, dann weil sie nicht in der Erkenntnis Gottes lebt und er sie der Bosheit, Habgier und Wollust überlässt. Und dieser Frischlin gibt ihm auch noch Schützenhilfe. Wenn ein Bengel homosexuelle Neigungen zeigt, dann nicht, weil er zu wenig gebetet hat, sondern weil die Mutter zu dominant ist. Da ergänzt die Psychologie ja wunderbar die Religion. Ich habe es satt, Lisa. Ich habe es gestrichen satt! Ich will mich nicht mehr fragen, was in den Köpfen der Herren der Schöpfung vorgeht!«
Ein Bild blitzte mir wieder durchs Hirn. »Übrigens war Vicky gestern Nachmittag noch woanders. Vom Bürofenster aus habe ich gesehen, wie er auf seiner Yamaha zum Fürsten hochgefahren ist. Vielleicht zum Pfarrhaus?«
Sie schaute mich an. Unsere Blicke verhedderten sich ineinander, aber die Suche nach einem Giftmörder, die in unserem Augenhintergrund ablief, verdarb jeden Flirt.
»Vicky wird es schaffen«, sagte ich.
»Dein Wort in Gottes Ohr!«, seufzte sie, blickte auf ihre klobige Herrenarmbanduhr, deren Größe den Vorteil hatte, dass man Ziffern und Zeiger ohne Lesebrille erkennen konnte, und wandte sich der Kaffeemaschine zu. »Die ersten Kunden kommen gleich!«
Mir war, als hätte ich bereits einen Wagen vorfahren hören.
»Ich muss die Mädchen wecken. Sie müssen den Laden heute alleine machen. Ich muss wieder ins Krankenhaus.«
Sie zog die Glaskanne aus der Maschine, schien aber im nächsten Moment nicht mehr zu wissen, was sie damit hatte anfangen wollen, und drehte sich um. »Lisa, eines solltest du wissen. Dein Freund Richard …«
»Dein Freund Rocky.«
»Das ist lange her. Inzwischen weiß ich, dass er auch nur ein Weber ist, ein Prinzipienreiter. Ich wollte es dir gestern nicht sagen, um dich nicht zu beeinflussen.« Sie lächelte traurig über ein längst obsoletes Problem von existenzieller Dimension. »Aber er war vorgestern Nachmittag hier, um mir zu sagen, dass es einen Prozess geben wird wegen meines Sonntagsverkaufs, auf den er leider – so behauptete er – keinen Einfluss nehmen könne. Die Summe, die der Staat bei mir einziehen will, sei auf 15 000 Euro festgelegt worden. Als ob ich auch nur tausend Euro übrig hätte! Das wird das Ende für die Herde sein, denke ich. Ich kann nicht mehr! Ich habe das Theater satt. All diese Kläger und Richter mit ihren Auflagen. Und wenn Victor nun nicht mehr …« Sie setzte die Glaskanne krachend auf der Arbeitsfläche ab.
Dass ihre Augen trocken blieben,
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