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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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schmerzte mehr als Tränen. Ich nahm ihr die Kaffeekanne aus der Hand und füllte sie unter dem Wasserhahn. Mit halbem Ohr hörte ich jemanden außen am Haus entlangtappen.
    »Verdammt! Wenn man vom Teufel spricht …«, stieß Barbara aus, stürzte quer durch die Küche zur Tür, die zum Waschküchengang führte, und riss sie auf.
    Gleichzeitig hörte ich die Außentür zum Wäschetrockenplatz scheppern. Ein überstürztes Trappeln von Krallen auf Beton scheuchte meinen Puls auf. Mit wehenden Ohren und steiler Rute bog Cipión um die Ecke, rutschte auf dem Küchenlinoleum aus, rappelt sich auf und stürzte auf mich zu. Ich stellte die Kanne ab und fiel, obgleich mein schmerzsteifes Knie es eigentlich nicht zuließ, auf die Knie. Cipión wedelte sich in meine Hände und warf sich beseligt auf den Rücken.
    »Du traust dich was, Richard!«, hörte ich Barbara mit angelegtem Kinn sagen.
     

28
     
    Er hatte nach einer weitgehend schlaflosen Nacht gegen sechs Uhr aufgegeben, war im Bademantel in die Küche hinuntergegangen und hatte die Kaffeemaschine befüllt. Seine Gedanken hatten automatisch um eine Zigarette und die Frage zu kreisen begonnen, ob er nicht langsam anfangen sollte, vor Lungenkrebs Angst zu haben. Aber lieber schnell gelebt als lang gestorben. Außerdem, was hielt das Leben denn noch für ihn bereit, außer einer Karriere von einem Sessel in den nächsten und privater Einsamkeit. Die Zigarettenschachtel lag auf seines Vaters Tisch im Arbeitszimmer. Auf nackten Sohlen war er das warme Parkett entlanggetappt, hatte eine Zigarette aus der Schachtel gezogen, sie sich angezündet, im Salon die Tür zur Terrasse aufgemacht und zusammen mit Nikotin und Teer die frische Morgenluft in die Lungen gesogen.
    Plötzlich hatte es geraschelt, und Cipión kam um die Ecke gedackelt, strubbelig mit vom Morgentau feuchtem Fell.
    »Wo kommst du denn her?«, hatte Richard ihn gefragt und wie üblich keine Antwort erhalten. »Du hast doch nicht die ganze Nacht hier vor der Tür gelegen? Ja, hättest du doch Laut gegeben, du Dummbart. Hast du Hunger? Na, dann komm rein. Mein Gott, du bist ja ganz kalt!«
    In einem Anfall von unerklärlichem Glücksgefühl hatte Richard seine Zigarette in einen Oleandertopf geschnippt, war in die Küche zurückgekehrt und hatte Cipión mit einem Geschirrhandtuch trocken gerubbelt, was in ein kleines Kampfspiel um den Lappen ausartete, die einzige Gelegenheit, bei dem Cipión Töne von sich gab, nämlich ein mit einem Fiepen gemischtes Knurren, wie im Stimmbruch. Dann hatte er Cipión ein Leberwurstbrot geschmiert, mehr Wurst als Brot, aber irgendeinen Träger brauchte er halt, und es ihm in Stücken in den Rachen geworfen. Dabei war er ins Grübeln gekommen. Und da ihm jegliche Art von Grübelei Unbehagen bereitete, hatte er spontan zum Handy gegriffen und meine Mobilnummer aktiviert, um sich zu erkundigen, wieso Cipión nicht bei mir war. Aber ich nahm nicht ab. Schlagartig erinnerte er sich des Krankenwagens, der gestern Nacht mit Blaulicht und Martinshorn am Weber’schen Haus vorbei ins Zeitental gerast war.
    »Ich habe sonst was gedacht, Lisa«, sagte Richard, gewohnt, das Schlimmste anzunehmen, wenn es um mich und meine Lebenspannen ging, mindestens aber meinen Tod. Er war sofort in den nächstbesten cognacfarbenen Anzug gesprungen und ins Auto gestiegen. Nicht einmal rasiert hatte er sich.
    »Der Krankenwagen hat Victor geholt«, erklärte Barbara mit sehr dunkler Stimme. »Er liegt im Koma. Und ob er je wieder aufwacht, steht in den Sternen. Er fiel gestern Abend plötzlich vom Tisch, nachdem er aus dem Flachmann getrunken hatte, den er bei euch bekommen hatte.«
    Richard wurde blass. Auch für eine Krawatte hatte er sich keine Zeit genommen.
    »Die Ärzte behandeln ihn auf Thujonvergiftung.«
    Er schüttelte fragend den Kopf.
    »Thuja, Lebensbaum, Wermut«, erläuterte ich. »Wächst praktisch überall und ist, in Alkohol eingelegt, in bestimmter Menge tödlich.«
    »Und da traust du dich noch her!«, sagte Barbara.
    Jetzt war er da, der Moment, den Richard so sehr gefürchtet hatte. Unsere Blicke trafen sich. Meine Mutter?, fragte er stumm. Deine Mutter, nickte ich. Sie hat nicht nur deinen Vater vergiftet, sondern auch Barbaras Sohn. Zumindest sieht momentan alles danach aus.
    »Du kannst von Glück sagen«, fuhr Barbara fort, »dass Jürgen schon weg ist. Zur Polizei übrigens, Anzeige erstatten. Nur mit Müh und Not konnte ich ihn heute Nacht davon abhalten, Kleinholz aus euch zu

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