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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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endeten knapp unter dem Ellenbogen. Wenn er sich gerade hinstellte, war ein Streifen seines behaarten Bauchs zu sehen.
    Absurd.
    Er stand in einem gelborangenen Badezimmer im verregneten Nirgendwo. Trug das zu kleine Flanellhemd des verstorbenen Großvaters eines Mädchens, das er kaum kannte. Ein Mädchen, das sechsundzwanzig Jahre jünger war als er. Das in seinem Bett geschlafen hatte und mit dessen Oma er bald Kakao trinken würde. Während seine Frau mit einem anderen Mann zusammen war, an einem Ort, den er nicht kannte.
    Fuck!
    Das hatte er sich alles selbst eingebrockt.
    Nachdenklich wusch er sich die Hände. Dann ging er zurück ins Wohnzimmer. Sein ganzer Kopf schmerzte jetzt.
    Er bemerkte, dass die mit altmodischer Spitze verzierten Gardinen zugezogen waren. Es roch unangenehm scharf. Die Luft stand. Man konnte den Regen aufs Dach prasseln hören.
    Wie selbstverständlich öffnete Sue ein Fenster. »Granny, wann hat Alice denn zuletzt hier gelüftet?«
    Granny setzte sich ächzend in einen abgewetzten, moosgrünen Fernsehsessel. Esther legte sich sofort zu ihren Füßen. »Alice’ Bruder ist gestorben. Sie war seit zwei Tagen nicht hier.«
    »Da musst du mich doch anrufen!« Sue klang vorwurfsvoll. Sie winkte ihm, sich neben sie auf die Couch zu setzen. Er stieß mit den Knien an den Couchtisch.
    Granny setzte sich eine Brille auf. Aufmerksam betrachtete sie Tim. »Jonny … und wie weiter?«
    Einen kurzen Moment musste er überlegen. »McClane.«
    Erstaunt hob sie die dünnen, schwarz nachgezogenen Brauen. »McClane?« Sie dachte nach.
    Tim spürte die Tischkante unangenehm am Knie.
    »Sind Sie Ire? Woher kommt McClane?«
    Er räusperte sich. »Mein Großvater, ja.« Er spürte, wie er zu schwitzen begann.
    Sue holte eine abgegriffene Spielebox unter dem Couchtisch hervor. »Granny, lass uns eine Runde Scrabble spielen!«
    Er schob den Tisch einige Zentimeter von sich.
    Die alte Frau lachte. »Sie haben ganz schön lange Beine für einen Iren! Die sind doch alle so klein!« Amüsiert zupfte sie an der Schluppe ihrer cremefarbenen Seidenbluse.
    Nervös lachte er mit. Spürte ein Kitzeln am Bein. Esther hatte sich angeschlichen. Der Hund schnupperte an seiner Hose. Sanft streichelte er den grauen Dackelkopf. Vielleicht würde er sich auch einen Hund kaufen.
    Wieder stieß er mit den Knien an. Wünschte, er säße im Auto nach L.A . Im Regen. Allein. Musik aus dem Radio. Er musste das hier rasch beenden.
    Sue begann ein Gespräch über Alice’ Bruder. »Alice ist Grannys Haushälterin«, erklärte sie.
    Er nickte und ließ den Blick über die altmodischen Eichenmöbel gleiten. Ein schweres Bücherregal. Kleine Porzellanfiguren, Tolstois »Krieg und Frieden«, einige deutsche Titel. Er hatte richtiggelegen. Granny hatte deutschsprachige Wurzeln. Die Gemälde vielleicht aus der Heimat. Dann bemerkte er eine kleine, getrocknete Wurst unter dem zierlichen Biedermeier-Beistelltischchen. Ein brauner, getrockneter Hundehaufen.
    Er verspürte Ekel. Ekel und Trauer. Das Alter, die Einsamkeit, der stinkende dunkle Raum. Sah so seine Zukunft aus? Würde der Sohn vorbeikommen, um die Fenster zu öffnen und Scrabble mit ihm zu spielen? Würde er der lästige Wochenendbesuch sein, zu dem sich Derek verpflichtet fühlte?
    Der Gedanke rutschte ihm in den Hals und schnürte ihm für einen Moment die Kehle zu. »Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser haben?« Er klang heiser.
    Sue sprang sofort auf. »Klar! Ich mach uns auch eine heiße Schokolade, ja?«
    Bevor er protestieren konnte, verließ sie den Raum.
    Kaum war sie in der Küche, spürte er wieder Grannys Blicke auf sich.
    »Woher kennen Sie Sue?«
    Er hustete wieder. »Wir haben uns bei einem Konzert kennengelernt.«
    Pause.
    Langsam nickte sie.
    Er rieb die Handflächen aneinander, wartete. War auf der Hut. Es würden mehr Fragen kommen.
    »Wie alt sind Sie, Jonny?«
    Für einen Moment war er versucht zu lügen. »Neunundvierzig.«
    Fuck it!
    Wieder das Nicken. Oder zitterte einfach nur ihr Kopf?
    Sie betrachtete seine Hände. »Geschieden?«
    »Getrennt, ja.«
    Sie reckte das Kinn. Die Augenbrauen hochgezogen. »Ist das dasselbe?«
    Er zögerte, schaffte es nicht, ihrem Blick auszuweichen. »Nein, Ma’am, das ist nicht dasselbe.«
    Umständlich öffnete sie das verzierte Kästchen, das auf dem Biedermeiertischchen stand. Marlboros.
    »Möchten Sie?«
    Er zögerte. War das ein Test? Er hatte in den letzten zehn Jahren niemanden getroffen, der in seinem eigenen

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