Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
Entfernung beobachten, wie der Vogel auf dem Parkplatz im Müll nach Nahrung suchte. Animalcontrol schaltete sich ein und überführte das Tier in den Los Angeles County Zoo.«
Verrückt. Kopfschüttelnd fuhr er den Computer runter, stand auf und ging ins Bett. Als er das Kissen aufschüttelte, fand er ein zusammengeknäultes T -Shirt. Es war fast unters Bett gerutscht, zwischen Wand und Matratze.
Liz hatte das T -Shirt zum Schlafen getragen. Noch vor Kurzem hatte sie neben ihm gelegen. In diesem T -Shirt. Sicher hatte sie schon gewusst, dass sie ihn verlassen würde.
Vorsichtig strich er den Stoff glatt. Rollte sich auf den Rücken. Betrachtete das Shirt. Moosgrün verwaschen. Es hatte gut zu Liz’ dunklem Haar gepasst. Ein kleiner Zahnpastafleck am runden Kragen. Er strich mit dem Finger darüber. Liz hatte »Tom’s of Maine«-Zahnpasta benutzt. Aus dem Bioladen.
Er inspizierte das kleine Schildchen. Größe »S«. 100 % Baumwolle.
Er bedeckte sein Gesicht mit dem weichen Stoff und schloss die Augen. Atmete die letzten Moleküle ihres Geruchs ein. Den pudrigen Geruch ihrer Nachtcreme. Ein bisschen Lavendel. Das Haaröl, das sie verwendete. Einen Hauch von Schweiß unter den kurzen Ärmeln. Duftpartikel. Bald würde nichts mehr von ihr übrig sein.
Der Geruch von Zuhause. Familie. So hatte es immer gerochen. Erst jetzt wurde ihm das klar.
Mit der Wange auf Liz’ Shirt schlief er ein. Warf sich unruhig hin und her. Bilder liefen in seinem Kopf ab.
Tanzfläche Motorbar. Peter und Liz. Foxtrott tanzend zwischen jungen Leuten in T -Shirts. Peter im grauen Anzug mit Einstecktuch. Liz mit gelber Bluse und weitem, knielangem Rock. Ihre Tanzschritte passen nicht zur Musik. Immer schneller dreht er sie. Der Rock fliegt.
Liz lacht und sieht ihn an. Sie ist ausgelassen, glücklich. Stumm und schwer steht er selbst da. Das Gesicht bleiern. Versucht zu lachen. Doch das Gesicht bleibt hart.
Peter wirbelt Liz herum. Der blaue Rock fliegt höher. Rote Unterwäsche blitzt. Ein Strumpfhalter. Peter zieht sie enger an sich. Sie tanzen langsamer. Plötzlich allein auf der Tanzfläche. Es ist stockdunkel. Die Wände haben sich in Luft aufgelöst. Ein sirrender Ton von irgendwoher.
Grelles Spotlicht auf Peter und Liz. Aus dem Dunkel Anfeuerungsrufe. Go! Go! Go! Ein unsichtbares Publikum.
Die beiden lachen sich an. Küssen sich. Vertraut. Ihre Hand greift in Peters Haar. Die Nägel lang und knallrot lackiert. Applaus brandet auf.
Peter sieht ihn an. Lächelnd. Streckt ihm die Hand entgegen. Winkt ihn vom Rand der Tanzfläche heran.
Dann wiegen sie sich langsam zu dritt. Verschlungen. Es ist nicht klar, wessen Hand ihn berührt. Er hält den Kopf schräg. Lässt sich führen. Als er aufblickt, tanzt er mit Sue und Shirley. Ernste Gesichter. Sue trägt eine Kette aus bunten Muscheln.
Langsam löst sie sich und verschwindet im Dunkel. Zigarettenrauch steigt auf. Eine zarte Säule, die das Licht sucht. Shirley hält die Zigarette mit abgespreizten Fingern. Ihr Blick traurig. Sie zieht ihn an ihr Dekolleté. Schwer legt er den Kopf ab. Langsames Wiegen. Wie sanfte Wellen, die ein kleines Kind zum Einschlafen bringen.
Er spürt, wie er schrumpft. Langsam schiebt sich der große Körper zusammen. Wird schmaler, leichter. Die Kleider fallen von ihm ab. Lösen sich auf. Bald liegt sein Kinderkopf auf ihrem Bauch. Sie streichelt ihm über das Haar. Als er zu ihr hochschaut, zieht sie einen bunten Lolli aus dem Ausschnitt des orangefarbenen Kleides. Seine Kinderhand greift den Stiel.
Das Spotlicht bewegt sich. Es tastet sich durchs Dunkel. Findet Sue, Peter und Liz. Sie stehen eng beieinander, sehen ihn starr an. Die Gesichter weiß im Scheinwerferlicht. Schwarze Pupillen, tote Augen. Liz fängt an zu lachen. Er sieht Zähne und Zahnfleisch. Peter und Sue fallen ins Gelächter ein. Lachen aus hundert Kehlen. Von überallher aus dem Dunkel.
Es fällt ihm schwer, zu atmen.
Mit einem unterdrückten Schrei erwachte er. Auf dem Bauch liegend, das Gesicht ins Kissen gepresst. Für einen Moment rang er nach Atem. Dann rollte er sich auf die Seite, richtete sich auf.
Der Wecker zeigte 4.12 Uhr an. Sein Herz raste. Erschöpft schleuderte er das grüne T -Shirt in die Ecke.
Dann lag er eine Weile da. Es gelang ihm nicht, wieder einzuschlafen. Um fünf Uhr stand er auf und machte sich Kaffee.
Als gegen halb sieben die Sonne aufging, fühlte er sich wach. Er hatte Lust, sich zu bewegen, die Nacht aus seinen Knochen zu schütteln. Unten
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