Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
zusammen und war mit wenigen Schritten in der Küche.
»Was fällt dir ein?« Er bellte sie an.
Liz stand ihm abgewandt und leerte gerade das Kehrblech in den Mülleimer aus. Ihr blauer Wollpullover war hinten am Rücken hochgerutscht und legte ein Stück Haut frei. Sie zuckte zusammen. »Was –?«
Er hielt ihr die Karte hin. »Seit wann schreibst du dir hinter meinem Rücken mit meinem Vater?«
Sie trat ein paar Schritte zurück. »Warum? Ich schreibe ihm nur hin und wieder ein paar Grüße und –«
»Ich habe dir zigmal gesagt, ich will das nicht !« Er spürte Schweiß und Hitze im Gesicht.
Liz hob beschwichtigend die Hände. Die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie trat noch einen Schritt zurück. Seine Wut hing flammend heiß in der Luft zwischen ihnen.
»Sprich nicht so mit mir!« Ihre Stimme bebte. Tränen stiegen ihr in die Augen.
Draußen fuhr jemand mit quietschenden Reifen an. Kurz war er abgelenkt. Sie wandte sich zum Gehen. Grob packte er sie am Arm. Ihr schmaler Körper flog herum. Er hatte vergessen, wie leicht sie war.
Bevor er sich unter Kontrolle hatte, ging sein rechter Arm hoch, holte weit aus, und die große Hand landete klatschend in ihrem Gesicht. Liz flog mit einem dumpfen Schlag gegen den Küchenschrank. Atemlos stand er mit offenem Mund da. Die Hand noch erhoben.
Tränen strömten über Liz’ Gesicht. Rote Finger zeichneten sich auf ihrer blassen Haut ab. Sie sah ihn nicht an, als sie langsam wankend den Raum verließ. Sie musste sich am Türrahmen festhalten.
Einige Minuten stand er da. Unfähig, irgendetwas zu sagen oder zu tun. Erst dann beruhigte sich sein Atem.
An diesem Wochenende, es musste 2004 gewesen sein, hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Mein Gott, was hatte er sich nur dabei gedacht.
Larry kam mit der Kappe zurück. Sie war zu groß für seinen kleinen Kopf. Er sah lächerlich aus.
Er schüttete Cocktails nach. Die Gläser klirrten. Sie prosteten sich zu. Tranken aufs Single-Dasein und ihre Gesundheit. Larry verscheuchte eine träge Hummel und fragte: »Was macht dein Sohn? Derek?«
Tim leerte das Glas. Zerbiss einen Eiswürfel, es zog ein wenig am Backenzahn. Er nahm sich Zeit für seine Antwort. Zerbiss knackend noch einen Eiswürfel.
»Wie immer. Alles gut.«
Das Thema wollte er für später aufsparen. Jetzt war er zu betrunken.
»Machst du noch eine Runde?« Er hob das leere Glas.
Grinsend schnappte sich Larry die leere Karaffe. Auch er war ziemlich angetrunken.
Tim betrachtete den Freund, wie er etwas wacklig ins Haus ging. Dunkle Leberflecken hoben sich deutlich auf Larrys heller Haut ab. Die weißen Beine behaart. O -Beine. Das war ihm nie aufgefallen. Ein dichtes Fell auf gerötetem Nacken und Rücken. Grau. Eine Speckrolle wölbte sich um die Hüften. Steife Hüften ließen ihn leicht humpeln beim Gehen.
Jetzt sah er die Jahre, die vergangen waren. Eine ferne Traurigkeit überkam ihn. Larry war ein Loser. So, wie er auch einer war.
Er schloss die Augen. Die Sonne brannte auf die Augenlider. Gleißendes Rot.
» SHIT !«
Fluchend kam Larry aus dem Haus. Hielt sich die rechte Hand. Blut rann ihm den Unterarm herunter. Grelles Rot auf Weiß. Von Weitem schon konnte Tim den tiefen Schnitt auf der Handfläche sehen. Die Farbe war aus Larrys Gesicht gewichen. Er schwitzte. Das Gesicht schmerzverzerrt. »Fuck!«
Eine Menge Blut war auf seinen Oberkörper und die Beine getropft. Sein Bauch war rot verschmiert. Larry stolperte, fiel schwer ins Gras und blieb liegen.
Tim sprang auf die Füße. Sofort wurde ihm schwindelig. »Was …?«
»Bin mit dem Scheißmesser abgerutscht!«, sagte Larry. Das Blut floss unaufhörlich den Arm hinab auf den Rasen.
Shit. Sie mussten zum Krankenhaus. Sofort. Wo war das nächste Krankenhaus? Panik ergriff ihn. Wie damals in der Nacht, als Liz schreiend aufwachte und die Laken blutdurchtränkt waren. Shit, waren sie nicht damals zum Cedars-Sinai Krankenhaus gefahren?
Er erinnerte sich nur, wie er jede rote Ampel hupend überfahren hatte.
Cedars war in West Hollywood.
Fuck. Er konnte nicht mehr fahren. Fest packte er Larry am Arm, zog ihn auf die Beine und hinter sich her. An seiner Hand spürte er klebrig warm Larrys Blut. Sie stolperten ins Haus. Sein Kopf raste. Eine rote Spur aus dicken Tropfen auf Teppich und Fliesen.
Im Vorbeigehen schnappte er sich ein Küchenhandtuch. Zog sich die Turnschuhe im Gehen an. Larry keuchte. Tim versuchte vergebens, das Tuch um Larrys Hand zu wickeln.
Aida!
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