Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
Kaffee aus dem Automaten.
Tim streckte die Beine aus. Die Afroamerikanerin an der Rezeption gähnte wieder.
Das Kind auf dem Schoß gegenüber war aufgewacht und beobachtete ihn neugierig. Er winkte ihm. Verschämt vergrub der Kleine das Gesicht im ausgeleierten Pullover der Mutter. Aida tippte etwas in ihr Handy. Sie hatte versichert, dass es für sie in Ordnung war zu bleiben. »Ich hab heute Abend frei.« Sie hatte ihn angelächelt.
Irgendwo öffnete sich eine Tür.
»Mr Greenblatt? Gehören Sie zu Mr Greenblatt?«
Sie folgten der Schwester einen fensterlosen Gang hinunter. Der Arzt kam ihnen entgegen. Ein hoch aufgeschossener Inder. Mitte dreißig. Er hielt sich an einem Clipboard fest. Seine Stimme klang angenehm melodisch. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Ihr Freund hat ziemlich viel Blut verloren. Wir haben den Schnitt genäht, und er bekommt jetzt eine Infusion. Wir möchten ihn gerne über Nacht hierbehalten. Zur Sicherheit. Wenn Sie möchten, können Sie kurz zu ihm.«
Tim bemerkte ein leichtes Lispeln. Der Arzt erinnerte ihn an einen Kollegen aus der Bank. Sahid.
Wieder folgten sie der Schwester durch endloses Weiß in ein kleines Zimmer. Es roch nach Putzmittel. Geräuschlos zog sie den weißen Vorhang beiseite. Klein und blass lag Larry da. Sein Kopf versank zwischen zwei weißen Kissen. Ein Infusionsbeutel mit Blut hing an einem Ständer neben dem Bett. Larry hatte einen Schlauch im Arm. Die Hand war verbunden.
»Hey …« Ein mattes Lächeln.
Tim setzte sich. Der Stuhl war zu niedrig. Er stand wieder auf, berührte Larrys Arm.
»Hey, du machst Sachen. Das nächste Mal mixe ich die Drinks!« Er bemühte sich, heiter zu klingen.
»Hast du mir ein Mädchen mitgebracht?« Larry nickte Aida zu und lächelte noch einmal.
Schweigend fuhren sie zurück nach Atwater. Er fühlte sich erschöpft. Der Tag hatte ihn mitgenommen.
Fuck. Fast wäre sein alter Kumpel vor seinen Augen abgekratzt. Sie hatten verdammt viel Glück gehabt.
Aida parkte in der Einfahrt. »Komm, ich bring dich ins Haus.«
Er war dankbar dafür. Während er sich im Sessel ausstreckte, holte sie einen nassen Aufnehmer aus der Küche.
»Hier sieht’s aus, als wäre einer abgestochen worden.«
Auf allen vieren begann sie, die getrocknete Blutspur wegzuwischen. Woher sie wusste, wo der Aufnehmer lag?
»Ich bin eine Frau! Es gibt ein paar Dinge, die machen alle Frauen gleich. Wir räumen Putzzeug, das oft gebraucht wird, unter die Spüle.«
Ihr Lachen tat gut, obwohl es ein bisschen verächtlich klang. Sie besah sich das braune Blut auf dem hellen Velours.
»Der Teppich ist hinüber.«
Dann warf sie das Putztuch in die Ecke und kam zu ihm. Sie trug kein Make-up. Sah jünger aus. Sie musterte ihn, fuhr mit ihren Fingern langsam durch sein Haar. Die Geste berührte ihn seltsam. Es lag etwas ernst gemeint Liebevolles darin.
»Was kann ich dir Gutes tun?«
Müde zuckte er mit den Achseln. Alles war gut, wie es war in diesem Moment. Larry war nicht verblutet und würde morgen aus dem Krankenhaus kommen.
Das Wohnzimmer lag im Halbdunkel. Sie sah sich um.
Die Hi-Fi-Anlage blinkte noch. Sie nahm einen Stapel hüllenloser CD s und betrachtete sie. Über einige schüttelte sie lächelnd den Kopf. »Oh Mann, Guns N’ Roses?«
Grinsend hob er die Hände. »Hey! Guilty pleasures! Mach dich nicht über den Musikgeschmack eines alten Mannes lustig.«
Sie warf ihm einen gespielt ernsten Blick zu. Fand eine weitere CD neben dem Fernseher. »Ella Fitzgerald, okay?«
Er nickte.
Leise strömte die Musik in den verwüsteten Raum. Legte sich sanft über das Chaos und hüllte Tim ein.
Aida wiegte sich fast unmerklich. Weiche Bewegungen. Ihre Augen waren halb geschlossen. Das Gesicht entspannt. Er sah zum ersten Mal, wie lang und dicht ihre Wimpern waren.
Selbstvergessen griff sie sich ins Haar. Einige Strähnen fielen ihr über das Gesicht. Langsam glitten ihre Finger durch die Haare, bis die Hand den Nacken erreichte. Genussvoll strichen ihre schmalen Finger langsam vom Schlüsselbein zu den Brüsten. Streichelten die vollen Rundungen.
Er beobachtete, wie sich ihre Brustwarzen gegen den dünnen Stoff des Hemdchens abzeichneten. Das goldene Kettchen lag auf ihrer olivfarbenen Haut. Ihre Hände glitten hinunter zum Bauch. Langsam. Die Hüften kreisten unablässig, als sie sich langsam abwandte.
Elektrisiert schaute er zu. Sie tanzte für ihn. Sie war gut. Unendlich langsam zog sie ihre Trainingsjacke aus. Ließ den schwarzen
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