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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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abgestellt. Klirrende Flaschen.
    Tim schloss die Augen wieder. Er war nicht allein. Ein vergessenes Gefühl von Geborgenheit umhüllte ihn. Er schlief sofort wieder ein.
    »Lunch is ready!«
    Er erwachte ruckartig. Kniff geblendet die Augen zusammen. Larry stand mitten im Zimmer. Er hatte die Gardinen aufgerissen. Grelles Sonnenlicht flutete herein. Die kurzen behaarten Arme in die Seiten gestemmt, stand Larry da. Hatte sich die rot geblümte Schürze umgebunden. Dazu trug er Khakishorts und ein buntes Hawaiihemd. Larrys Version von California living.
    »Pennst du immer bis mittags?« Lachend zog er seinem Freund die Decke weg.
    Auf dem Tablett neben dem Bett türmten sich Sandwiches, zwei orangerote Drinks, daneben dampfender Kaffee.
    Herrlich. Tim schwang die Beine aus dem Bett. »Hast mich überzeugt. Du darfst bleiben!« Sie prosteten sich zu.
    Liz hatte die rote Schürze immer an Sonntagen umgebunden, wenn sie Eier und Speck briet.
    Er hustete. Larry hatte stark gemixt. »Mai Tais?«
    »You got it, baby! Life is a party!«
    Der zweite Schluck schmeckte nach Wochenende.
    Zwei Stunden später saßen sie mit glasigen Augen im Garten. Die Sonne brannte auf ihre nackten Oberkörper. Larry hatte zwei Gartenstühle aus der Garage geholt. Sie hatten sich darauf gesetzt, ohne sie abzustauben. Die Schiebetüren zum Wohnzimmer standen weit offen, die Musik drang laut in den Garten.
    »Phish«, stellte Larry grinsend fest. »Perfekt.«
    Tim streckte sich aus. Legte schwer den Kopf zurück und genoss die Sonne auf dem Gesicht. Er spürte die Wärme des Rums im Magen. Vergessen waren Scheidungspapiere und das lächerliche Gerangel mit dem Sohn. Fuck it.
    Larry goss Cocktails nach. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die Küchenanrichte hatten sie zur Bar umfunktioniert. Wann immer die Karaffe leer war, mixte Larry neue Cocktails. Eine fast leere Flasche Rum stand auf der Anrichte. Ein scharfes Fleischmesser lag daneben. Die Klinge war verklebt von Limetten, Splitter von Eiswürfeln schmolzen im Ausguss. Eine Flasche Curaçao und Sirup. Brauner Zucker. Weiß Gott, wo Larry das Zeug herhatte. Wie in alten Zeiten. Tim wischte sich Lachtränen aus dem Gesicht.
    »… und als der Typ dann mit runtergelassener Hose dastand, hast du die Girls reingelassen! Er hatte Teddybären auf den Boxershorts!« Larry schlug sich auf die nackten Schenkel. Er hatte ein gutes Gedächtnis. Erinnerte sich an die seltsamsten Details und besaß großes Talent im Geschichtenerzählen. Ergebnis waren absurd komische Anekdoten, in denen immer sie die Helden waren.
    Gut, sie waren älter geworden. Sie hatten Jobs gehabt und wieder verloren. Sie hatten Ehefrauen gehabt und wieder verloren. Nein, nicht verloren, er hatte sie vertrieben.
    Angetrunken watschelte Larry noch einmal ins Haus.
    Sein Kopf hatte inzwischen die Farbe eines Hummers angenommen. Tim hatte ihn ins Haus geschickt, damit er sich eine Baseballkappe holte. Er war angenehm betrunken. Aber kaum war er allein, kamen die Erinnerungen.
    Ein Samstag. Er erinnerte sich.
    Liz hatte bereits gefrühstückt. Er war spät aufgestanden. Hatte schlecht geschlafen. Sein Knie schmerzte. Die Operation war unumgänglich.
    Mit einer Tasse Kaffee stand er mitten in der Küche. Hatte das Gewicht aufs gesunde Knie verlagert. Stierte auf die Straße.
    Liz trug zwei große Topfpflanzen herein. Er bemerkte sie nicht.
    Sie versuchte, sich an ihm vorbeizuschlängeln.
    Ein Topf rutschte ihr aus den Händen und fiel krachend zu Boden. Genervt sprang er zur Seite. Kaffee schwappte über.
    Sie stellte die zweite Pflanze ab und schob ihn sanft zur Seite, holte ein Kehrblech unter der Spüle hervor. Anspannung lag in der Luft.
    Langsam ging er in den Flur. Er musste einen Termin machen für die OP . Er trank den Kaffee aus.
    Die Post wurde schwungvoll durch den Briefschlitz in den Flur geworfen. Mit lautem Schlag fiel die schmale Metallklappe wieder zu.
    Gelangweilt ging er den Stapel durch. Rechnungen, Werbung und ein Briefumschlag, der an Liz adressiert war. Die Handschrift kam ihm bekannt vor. Er überlegte einen Augenblick, bevor er den Umschlag aufriss und die altmodische Karte öffnete:
    Liebe Liz,
    danke für Deinen Brief. Es ist schön, von Dir zu hören.
    Es ist gut, dass Du schreibst. Hier in Jasper ist nun auch der Herbst eingekehrt –
    Heftig atmete Tim aus. Sein Vater. Warum schrieb Liz seinem Vater? Was sollte diese heimliche Brieffreundschaft?
    Er spürte den Puls hinter den Schläfen. Knüllte die Karte

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