Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
Hastig sah er sich um. Wühlte in den Sofakissen, fand das Handy nicht. Wenn Aida nicht da war, würde er einen Krankenwagen rufen müssen. Er setzte Larry in den Wohnzimmersessel.
»Bin gleich wieder da!«
Er rannte rüber zu Heffners Haus. Fiel fast über die eigenen Schnürsenkel. Klingelte Sturm. Unruhig trat er von einem Bein aufs andere.
Endlich. Schritte.
Genervt öffnete sie. »Was zum Teufel …?« Dann sah sie das Blut. Larrys Blut auf Tims Shorts.
Seine Stimme überschlug sich. »Mein Kumpel hat sich geschnitten. Kannst du uns vielleicht ins Krankenhaus fahren?«
Gemeinsam hievten sie Larry auf den Rücksitz. Dicke Schweißperlen standen auf seiner zitternden Oberlippe. Er roch stark nach Alkohol.
Aida hatte sich die blutende Hand angesehen. Gekonnt einen festen Knoten in das Tuch gemacht. Sie war ganz ruhig geblieben.
»Halt den Arm hoch!«
Tim war sich nicht sicher, ob Larry sie gehört hatte. Es schien, als habe er das Bewusstsein verloren.
Verzweifelt quetschte er sich neben seinem Freund auf die Rückbank. Hielt die blutende Hand hoch. Das Küchentuch war schon vollkommen durchweicht. Er bewunderte, wie ruhig Aida blieb. Geschickt nahm sie kleine Abkürzungen, umfuhr Ampeln und stockenden Verkehr.
»Zum Hollywood Presbyterian Medical Centre, okay? Das ist das nächste Krankenhaus!«
Besorgt warf sie einen Blick auf Larry. Er war kreidebleich. »Versuch, ihn wach zu halten!«
Sie fuhr schnell, in weniger als fünfzehn Minuten waren sie dort.
Sie parkte direkt vor der Notaufnahme, rannte hinein. Kam nach wenigen Minuten mit zwei Pflegern und einer Trage zurück.
Sie hoben Larry aus dem Wagen. Teilnahmslos rollte sein Kopf von links nach rechts, als man ihn in die Notaufnahme schob. Der linke Arm baumelte von der Trage.
Während Aida den Wagen parkte, erledigte Tim die Formalitäten. Fahrig füllte er Papiere aus, verschrieb sich immer wieder. Die Rezeptionistin war gelangweilt. Gähnte mit weit aufgerissenem Mund. Als er ihr das Papier zurückgab, wies sie ihn müde an zu warten.
Erschöpft ließ er sich auf einen der harten Plastikstühle im Warteraum fallen, stützte den Kopf in die Hände. Das Blut auf seinen Shorts war getrocknet.
Aida betrat den Warteraum und brachte ihm ein frisches T -Shirt. »Hier. Hab ich im Kofferraum gefunden.«
Erst jetzt bemerkte er, dass er mit nacktem Oberkörper losgefahren war. Seine Hände zitterten leicht, als er sich das T -Shirt über den Kopf zog. Es roch nach Zigaretten und billigem Aftershave. Fuck.
Er erinnerte sich an die Nacht im Emergency Room, als Derek eine Blinddarmentzündung hatte. Das war bestimmt fünfzehn Jahre her. Mitten in der Nacht hatte der Junge sich vor Schmerzen gekrümmt und nicht aufgehört zu weinen. Er hatte den Zwölfjährigen fest im Arm gehalten und wie ein Kleinkind gewiegt, ihm die verschwitzte Stirn geküsst und voller Sorge nach einem Arzt oder Pfleger Ausschau gehalten.
Die Notaufnahme war überlaufen. Liz hielt sich nervös an ihm fest, rieb Dereks Rücken und redete ihm gut zu.
Irgendwann ging er mit dem wimmernden Kind auf dem Arm den schmalen Gang auf und ab. Es machte ihn verrückt, dass der Sohn die schrecklichen Schmerzen aushalten musste. Er fühlte sich schuldig. Nahm sich vor, mehr Zeit für das Kind zu haben. Irgendwann war endlich ein Arzt gekommen, und der Junge wurde sofort für die Operation vorbereitet.
Sie hatten auf ähnlichen Plastikstühlen wie diesen gesessen und gewartet. Er hatte Liz’ Hand gehalten, sie war irgendwann mit dem Kopf an seiner Schulter eingeschlafen.
Die Erinnerung erschöpfte ihn. Plötzlich hatte er das Gefühl, das Unglück anzuziehen.
Dann spürte er Aidas Hand auf seinem Rücken.
»Da drüben ist eine Toilette. Wasch dir erst mal die Hände.«
Sie waren blutverkrustet. Wacklig stand er auf, blieb einen Moment unsicher im Raum stehen.
Weiße Wand. Weiß gekachelter Boden. Ein leerer Metallmülleimer neben der Rezeption. Erst jetzt bemerkte er den hustenden Mann neben einer Topfpflanze. Eine fette Frau mit schlafendem Kind.
Er war außerstande, sich zu bewegen. Hilflos sah er Aida an. Sie führte ihn langsam zur Toilette. »Alles wird gut.« Ihr Flüstern beruhigte ihn.
Die Neonröhren auf der Herrentoilette blendeten ihn.
Braunrotes Wasser lief von seinen Armen ins Waschbecken. Aida reichte ihm Papierhandtücher, tupfte ihm Stirn und Nacken ab. Er hielt sich an ihrer Schulter fest. Atmete tief ein. »Danke.«
»Kein Problem.«
Dann warteten sie. Aida holte
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