Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
zurückkam, war Larry mit dem Kinn auf der Brust eingenickt.
Seufzend ließ Tim sich in den Sessel fallen. Nahm einen kalten Schluck Heineken. Der Geschmack spätsommerlicher Grillabende mit Peter.
Der hätte ihm jetzt einen guten Rat gegeben. Absurderweise hätte Peter genau gewusst, was jetzt zu tun wäre. Sein Freund Peter, in dem er sich jahrelang getäuscht hatte.
Tims Blick ruhte auf dem in sich zusammengesunkenen Larry. Er überlegte, ob Larry und Peter sich je begegnet waren. Larry war einfacher, direkter, weniger charmant als Peter. Aber bei Larry wusste er, woran er war.
Fuck. Fast hätte Larry gestern den Löffel abgegeben.
Das Leben kam ihm in diesem Moment beängstigend zerbrechlich vor.
Wie damals, 1985. Im Februar.
Er war von Liz’ Wimmern erwacht. Die große Blutlache im Bett, grelles Rot auf Weiß. Nass leuchtete es im Dunkel. Es war mitten in der Nacht. Liz’ Schreie weckten Derek. Ihre Hände umarmten verzweifelt den großen Bauch. Sie hatten sofort gewusst, was das alles bedeutete.
Tim beruhigte den kleinen Derek, hielt ihn fest im Arm. Er ging mit ihm ins Wohnzimmer, damit Derek das Blut und Liz’ Tränen nicht sah.
Dann kam Doreen. Beruhigte das aufgewühlte Kind. Umarmte Liz.
Liz und er waren ins Krankenhaus gefahren. Da war der Fötus schon tot gewesen. Im sechsten Monat.
Die Ärzte waren verständnisvoll, boten Möglichkeiten an. Liz lag blass und apathisch auf dem Krankenhausbett, ihre Hand kraftlos in seiner.
Er wusste nicht, was er Liz sagen sollte, wie er sie trösten konnte. Wollte sich auflösen im Grau.
Eine Woche später ging er wieder zur Arbeit. Liz war zu Hause mit dem Sohn. Doreen leistete ihr Gesellschaft.
Der Verlust hing frisch in der Luft, keiner von ihnen hatte sich von der Nacht erholt. Als er am ersten Abend heimkam, hatte Liz sich ihr Haar abgeschnitten. Er erkannte sie kaum wieder. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich vor Schmerz eine Hand abgeschnitten. Geändert hätte es nichts.
Er spülte diese Erinnerungen mit einem großen Schluck Bier hinunter. Aber der Tag war noch nicht zu Ende.
Als er aufstand, um ins Bett zu gehen, klopfte es an der Haustür.
14
Leise trat sie ein. Streifte seinen Arm.
»Larry ist noch hier.« Flüsternd zeigte er Richtung Couch.
»Geht’s ihm besser?« Ihr Flüstern war vertraut.
Er nickte. Ihr Haar roch warm nach Sandelholz. Unter ihrem Arm klemmte ein Buch. Und er bemerkte das verzierte Kästchen von der Veranda. Fragend hob sie die Brauen. »Soll ich gehen?«
Eigentlich war er müde. Aber sie trug wieder den schwarzen Trainingsanzug, und er musste an den Striptease denken.
Als er sie packte und spielerisch über die Schulter warf, kicherte sie leise.
Schwitzend rollte er zur Seite. Sein Atem beruhigte sich nur langsam. Er war nicht mehr der Jüngste. Spürte, wie sie ihren Arm unter seinem Rücken hervorzog.
»Sorry.« Er rutschte zur Seite, blickte immer noch schwer atmend an die Decke. Schweiß rann seine Schläfen herunter. »Bist du gekommen?«
Sie sah ihn überrascht an und musste lächeln. »Das hat mich schon lange keiner mehr gefragt!«
»Fragt man das heutzutage nicht mehr?«
»Nein. Jeder kämpft für sich allein, schätze ich.«
»Hm. Und?«
»Ja. Schon vor fünf Minuten.«
Sie öffnete das Kästchen. Tabak, Blättchen, Filter und ein paar trockene Knollen Gras.
»Magst du?«
»Ja.« Warum nicht.
Er musste sofort husten. Das Zeug war stark. Es kratzte im Hals. Dicker weißer Rauch hing im Schlafzimmer. Er erinnerte sich, dass er das letzte Mal, als er mit ihr gekifft hatte, Peter Heffner vor sich gesehen hatte. Shit.
Ins dünne Laken gehüllt, saß Aida da. Im Schneidersitz. Ihre Wimperntusche war verwischt. Sie rauchte bedächtig, hatte die Augen geschlossen.
Er betrachtete sie. Ihre geröteten Wangen waren frisch und feucht. Sie war gut im Bett. Er mochte ihr Lachen. Aber er spürte dieselbe Traurigkeit, die er nach dem letzten Mal Sex mit ihr gespürt hatte. Traurigkeit und Sehnsucht nach Liz.
Sie war anders gewesen als Aida. Zarter, fragiler, stiller.
Er hatte das immer gemocht. Liz war unschuldig und naiv, wenn sie nackt war. Dann überraschend lustvoll. Sie genoss sein Berührungen. So hatte es jedenfalls immer den Anschein gehabt. Er hatte sie manchmal beobachtet, wenn sie kam. Ihr Gesicht hatte dann etwas entrückt Fassungsloses gehabt, ihr Höhepunkt reglos mit angehaltener Luft, dann völlige Entspannung.
Während er an sie dachte, wich die Traurigkeit einer sorglosen
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