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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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würde ihn später fragen, wie er die beiden klargemacht hatte.
    Dann kam das Dessert. Pannacotta und Schokoladenkuchen mit vier Gabeln.
    Eigentlich war dies ihr Abend gewesen. Tim hätte gerne ihr ernstes Gespräch vom letzten Abend wieder aufgenommen. Doch dazu war es nun zu spät. Larry gockelte herum. Spreizte sich, zeigte das Gefieder. Erzählte, dass er auf »Urlaub« sei. Das müsse auch mal sein bei seinem stressigen Job an der New Yorker Börse.
    Lässig klopfte er Tim auf die Schulter. »Wir sind dreißig Jahre befreundet. Haben uns hier irgendwo um die Ecke kennengelernt.«
    Das war nicht mal gelogen. Bei ihrem ersten Treffen 1978 waren sie auf dem Hollywood Boulevard um die Häuser gezogen. Larry hatte damals schon gut verdient und ihn den ganzen Abend lang freigehalten. Ihm war Los Angeles unbekannt und fremd gewesen. Larry hatte ihn gern unter seine Fittiche genommen. Es hätte damals nicht besser kommen können. Larry, der Partylöwe. Seine kleine Statur und die liebenswerte Art machten alles Laute, Aufdringliche wett. Diese Mischung hatte bei Frauen immer gezogen.
    Vor Larry mussten sie keine Angst haben.
    Die Mädchen stocherten unsicher im Dessert herum, als die Rechnung kam. Die Blonde sagte: »Danke für die Drinks und so … Wir wollten euren Männerabend nicht stören …« Unsicherer Blick zur Brünetten, dann zu Tim.
    »Ja, wir sollten euch jetzt mal allein lassen …« Ihre Unsicherheit war echt. Rührend.
    »Ach was!« Larry wischte ihre Worte mit einer Geste vom Tisch. »Der Abend geht doch gerade erst los! Wir freuen uns über weibliche Gesellschaft!« Er warf Tim einen aufmunternden Blick zu. »Oder, Tim?«
    »Ja, auf jeden Fall.«
    Was hätte er anderes sagen sollen? Fuck it. Er war sowieso schon betrunken.
    Larry zahlte mit seiner goldenen Amex. Das beeindruckte die Frauen immer. Die Karte kam nur zu diesen Anlässen zum Einsatz. Das kannte Tim noch von früher.
    Zwei Blocks östlich ein Irish Pub. Es war kühler geworden, und ein leichter Wind wehte. Die Mädchen hakten sich bei ihnen unter. Sie gingen langsam. Das Laufen auf hohen Absätzen fiel angetrunken schwer.
    Sie waren für zwei Tage in L.A . Dann würden sie weiterfahren zu einer Hochzeit nach Santa Barbara.
    Larry war entzückt. »Seid ihr Brautjungfern?«
    Ja, waren sie.
    Staunend stöckelten sie vorbei an Billboards, blinkenden Lichtern und Schaufenstern, deren Auslage Latexbustiers und Lackschuhe mit Zwölf-Zentimeter-Absätzen präsentierten. Der Hollywood Boulevard hatte hier etwas Anrüchiges, Frivoles.
    Bars, Nachtclubs und billige Unterwäscheläden säumten die Straße. Nachtlager aus zerfledderten Kartons, lallende Penner, mit Zeitungspapier zugedeckt. Betrunkene grölten, Jugendliche rauchten in kleinen Grüppchen, schubsten einander herum. Eine lange Schlange vor einer Disco. Jede Menge Paradiesvögel. Großstadt. Los Angeles war rau und laut am Wochenende.
    Tim erinnerte sich, wie schockiert er über Dreck und Armut gewesen war. Der naive Junge aus Arkansas hatte sich Los Angeles damals glitzernd und sauber vorgestellt. Armut hatte in Arkansas ein anderes Gesicht.
    Die Mädchen stammten auch aus einer Kleinstadt. Lewisville. Ein Vorort von Dallas. Nervös hielten sie sich an den Männern fest. Sie waren froh, Beschützer zu haben in dieser fremden Welt. Die Blonde ging mit Tim. Susan. Sie wirkte schüchtern. Er bemerkte ein kleines Lispeln, wenn sie sprach. Susan sah beim Gehen auf ihre Füße.
    Sie hatte keinen Sex-Appeal. Nicht wie Sue, deren Blicke elektrisierend auf ihn gewirkt hatten. Deren Interesse an ihm spürbar gewesen war. Sue hatte den Abend aufregend gemacht. Wahnsinn, das war schon wieder Wochen her.
    »Was machst du?«
    »Hä?« Er war unvorbereitet.
    »Na, jobmäßig.« Sie sprach leise. Ihr Griff jetzt fester.
    Larry war außer Hörweite. Er hatte seinen Arm um die Brünette gelegt, sie überragte ihn um einen Kopf.
    »Cop. Auf Urlaub.« Fuck it. Die Story zog.
    »Cool!« Susan sah ihn mit großen Augen an. Schien erleichtert.
    Die stark geschminkten Augen glänzten. »Tracy, Tracy! Tim ist ’n Cop!«
    Tracy blieb stehen. »Was?« Sie war ziemlich angetrunken und lallte ganz schön.
    Larry stützte sie mit beiden Armen. Der Kunstfellkragen ihres Kurzmantels streichelte seine Wange. Die beiden schlossen zu Tim und Susan auf.
    »Wir sind in sicheren Händen! Tim ist ’n Cop!«, sagte Susan noch einmal.
    Larry warf ihm einen überraschten Blick zu. Dann nickte er anerkennend. Nicht schlecht,

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