Allmen und die Dahlien (German Edition)
Mal, wenn er sie nach einem Wort fragte, wusste sie es, ohne von ihrer Lektüre aufzuschauen.
Allmen setzte sich in ein etwas abgelegenes kleines Sitzgrüppchen; er hoffte, dort später vor Mithörern sicher zu sein, und bestellte ein Mineralwasser. Er wollte nicht mehr intus haben als Tenz.
Auch die Bar hatte sich nicht verändert. Es musste fünfzehn oder sechzehn Jahre her sein, seit er das letzte Mal hier war. Aber noch immer verspürte er das Gefühl von Wehmut, das ihn am Ende seines letzten Aufenthalts umfangen hielt. Ein paar Tage zuvor hatte er von Gabrielle Tapping Abschied genommen. Sie hatten zwei unvergessliche Wochen im du Palais verbracht und dabei immer gewusst, dass es die letzten sein würden. Gabrielle war verheiratet und hatte keine Absicht, daran etwas zu ändern. Sie hatten sich im Hotel kennengelernt, und sie hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass ihre Geschichte nicht über ihren gemeinsamen Aufenthalt hinausgehen würde. Das war auch ganz in seinem Sinn gewesen, er wollte sich nicht binden.
Doch je näher der Tag des Abschieds gekommen war, desto deutlicher wurde ihnen bewusst, dass es nicht so einfach sein würde. Sie waren beide drauf und dran, sich ernsthaft zu verlieben.
Nach dem tränenreichen Adieu hatte er hier noch drei melancholische Tage verbracht, und die gleiche Wehmut beschlich ihn seit seiner Ankunft.
Schlag sechs begann am anderen Ende des Raums der Pianist zu spielen. Kurz darauf betrat ein Mann die Bar, sah sich um und kam auf ihn zu.
Tenz, der Bilderdieb.
6
Er war etwas fülliger, als Allmen ihn in Erinnerung hatte, sein weißblondes Haar war windzerzaust, und er besaß den Teint eines Strandspaziergängers.
Tenz bestellte einen Campari, und Allmen schloss sich an. »Sind Sie oft im du Palais um diese Jahreszeit?«, fragte er, um das Gespräch in Gang zu bringen.
»Es ist eine der besten Arten, den europäischen April zu überstehen«, antwortete Tenz.
»Da haben Sie recht. Im du Palais und im Hassler in Rom.«
»Mir ist das Hassler etwas zu überladen«, wandte Tenz ein und kam ohne weitere Umschweife zur Sache: »Wer sind Sie?«
Allmen gab ihm sein offizielles Kärtchen. Allmen International Inquiries. The Art of Tracing Art. Johann Friedrich von Allmen.
»Sie sind ein Detektiv?«
»Kunstfahnder trifft es besser.«
»Sie wissen, dass das Bild schon Diebesgut war, bevor es den unrechtmäßigen Besitzer wechselte?«
»Darüber bin ich selbstverständlich informiert.«
»Ich wollte es einfach erwähnt haben. Damit wir von den gleichen Voraussetzungen ausgehen.«
Allmen nickte.
»Zwei Millionen bietet sie also?«
»Bieten ist zu viel gesagt. Ist sie bereit zu zahlen.«
»Zwei Millionen sind mir zu wenig.«
»Weshalb haben Sie mich dann herbestellt?«
»Wer bereit ist, zwei Millionen in die Hand zu nehmen, zahlt auch mehr.«
»Ich bin autorisiert, bis zwei zu gehen.«
»Niemand steigt mit dem Höchstgebot in die erste Runde.«
»Ich würde es an Ihrer Stelle nicht darauf ankommen lassen.«
Tenz musterte ihn wie ein Boxer seinen Gegner. Er wechselte die Taktik. »Das Bild ist verkauft.«
Allmen wechselte sie auch: »Ich weiß. An Tino Rebler.«
»Wenn Sie das so genau wissen, weshalb wenden Sie sich dann nicht direkt an ihn?«
»Sie haben den besseren Draht zu ihm.«
»Stimmt.« Tenz wartete ab.
»Sie haben ihn schon informiert, nicht wahr?«
Tenz nickte. »Deshalb sage ich: Zwei Millionen reichen nicht.«
»Weil er es seiner Dalia geschenkt hat.«
Falls Tenz überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. »Auch.«
»Was hat er Ihnen bezahlt?«
»Zu viel für Ihr Angebot. Wenn wir beide, er und ich, ein gutes Geschäft machen wollen, müssen Sie schon höher einsteigen.«
»Sie drei, wollten Sie sagen. Vergessen wir Teresa nicht.«
Diesmal schien Tenz doch etwas ertappt. Aber er blieb schlagfertig. »Wir vier. Vergessen wir auch Sie nicht.« Er lachte. Allmen fiel auf, dass er gebleichte Zähne hatte.
Allmen gab sich geschlagen. »Ich werde mit meiner Auftraggeberin Kontakt aufnehmen.«
»Tun Sie das. Am besten jetzt gleich.«
Allmen erhob sich. »Das kann schon eine Weile dauern.«
»Wir haben Zeit.«
Von seiner Suite aus rief er Carlos an.
»Wie hoch soll ich gehen, Carlos?«
»Hatte Madame Gutbauer nicht gesagt, Sie sollten beim Wert des Bildes von den dreieinhalb Millionen Dollar ausgehen, die das Blumenbild von Fantin-Latour im Jahr zweitausend bei Christie’s New York erzielt hat?«
»Materiell, hatte sie betont.
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