Allmen und die Dahlien (German Edition)
Schwestern tuschelten aufgeregt.
»Caipirinha?«, fragte er.
»Sehr aufmerksam«, antwortete sie. Allmen bestellte, er selbst blieb bei seinem Wein.
»Steht Ihnen gut, die Augenklappe. Ist es schlimm?«
»Es geht. Ich trage sie vor allem, um den Leuten den Anblick meines Auges zu ersparen.«
»Danke.«
Sie sah ihn lächelnd an. Da waren sie wieder, die Augen der jungen Frau auf dem Foto. Ihr Glanz verriet, dass der Caipirinha nicht der erste Mutmacher des Abends war.
»Sie müssen wissen, ich bin nicht oft hier unten«, begann sie die Unterhaltung.
Allmen überlegte, ob er verschweigen solle, dass er es wusste. Aber dann entschloss er sich, den Rest des Elans auszunutzen, den ihm sein neuer Look verliehen hatte, und nicht um den heißen Brei herumzureden. »Es ist das erste Mal in vier Jahren, nicht wahr?«
Sie überhörte die Bemerkung und schenkte ihre Aufmerksamkeit dem Barkellner, der ihren Cocktail brachte.
Als er gegangen war und sie einen Schluck genommen hatte, sagte Allmen: »Sie kamen nie herunter, weil Sie Hardy Frey nicht begegnen wollten, den Sie Dalia Gutbauer ausgespannt hatten, als er noch Leo Taubler hieß.«
»Ich hatte es nie nötig, Männer auszuspannen«, bemerkte sie schnippisch. »Die kamen von selbst.«
Allmen überging die Bemerkung. »Dalia Gutbauer war eine Freundin von Ihnen. Sie hatte Sie in die Gesellschaft eingeführt.«
»Freundin«, stieß Teresa Cutress verächtlich aus. »Dalia ist fast zwanzig Jahre älter als ich. Sie war meine Patin. Meine Mutter und sie waren eine Zeitlang befreundet.«
»Dann muss es sie doppelt getroffen haben, dass Leo Taubler sie für Sie verlassen hat.«
»Darauf können Sie Gift nehmen. Sie hat es keinem von uns je verziehen.«
»Immerhin leben und lebten Sie beide hier von ihrer Großzügigkeit?«
»Großzügigkeit würde ich es nicht nennen. Es ist ihre Unversöhnlichkeit. Dadurch, dass wir hier von ihren Gnaden leben mussten, konnte sie jeden Tag ihren Triumph über uns auskosten. Wir leben von ihrer Rachsucht. Nicht sehr schön, aber recht komfortabel.«
Sie nahm einen Schluck von ihrem Cocktail. »Dass ich auf ihre sogenannte Großzügigkeit angewiesen bin, dafür hat sie auch gesorgt. Mein letzter Mann, Joe Cutress, der meine Alimente bezahlen müsste, besaß einen Zulieferbetrieb für Landwirtschaftsmaschinen. Dalia ließ über eine ihrer Finanzgesellschaften die Aktienmehrheit seines Hauptabnehmers kaufen und sorgte dafür, dass er den Auftrag verlor. Dalia musste gewusst haben, dass er keinerlei Reserven besaß und von keiner Bank mehr Kredit bekam. So einfach.« Sie hob das leere Glas. »Darf ich noch einen?«
Allmen winkte den Kellner herbei und bestellte noch einen Caipirinha. Während sie darauf warteten, wechselte er das Thema: »Bei unserem letzten Gespräch wussten Sie von einem wertvollen Bild, das Madame Gutbauer gestohlen worden ist –«
»Die Dahlien von Fantin-Latour«, unterbrach sie ihn. »Nicht wahr, hinter denen sind Sie her?«
Allmen rang kurz um seine Fassung und konterte dann: »Wenn Sie von mir Ehrlichkeit verlangen, verlange ich sie auch von Ihnen.«
Nach kurzem Zögern sagte sie: »Okay.«
Der Kellner, der den Drink brachte, verschaffte beiden noch etwas Zeit. Danach fragte Allmen: »Was wissen Sie von Fantin-Latours Dahlien?«
»Hardy – ich nenne ihn Hardy, Leo nannte sich so, nachdem er Dalia verlassen hatte –, Hardy hat es vor über fünfzig Jahren für die da oben gestohlen – ein paar der verrückten Sachen, die er gemacht hat, waren ja ganz charmant. Und so sind die Dahlien zu einem vogelfreien Kunstwerk geworden. Jeder darf es stehlen, ohne dass die Polizei gerufen wird.«
»Und diesmal?«
»Diesmal haben wir es gestohlen.« Sie führte das Glas an ihre aufgespritzten Lippen und nahm einen Schluck.
»Wir?«, rief Allmen überrascht aus.
»Hardy, Claude und ich.«
»Ich dachte, Sie hätten Hardy Frey gemieden?«
»Claude hat uns wieder näher gebracht.«
»Sie kannten Herrn Tenz?«
»Natürlich. Seine Mutter war eine Nichte von Hardy. Ich kannte ihn schon als Kind.«
»Und wie ist es ihm gelungen, Sie einander wieder näherzubringen?«
»Vor etwa einem Jahr hat er erfahren, dass sein Großonkel hier wohnt, und hat begonnen, ihn zu besuchen. Hardy, das Klatschmaul, hat ihm irgendwann verraten, dass ich auch hier wohne, und er hat auch mich manchmal besucht. Und eines Tages kam er mit dem Alten an. Von da an trafen wir uns ab und zu zu dritt bei ihm oder bei mir zum sogenannten
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