Allmen und die Dahlien (German Edition)
Hardy Freys Tod hier aufgekreuzt. Jemand muss ihn benachrichtigt haben.«
Cheryl Talfeld schwieg.
»Sie haben versprochen, mir bei der Wiederbeschaffung des Bildes zu helfen. Dazu müssen Sie mir die Nummer geben. Sonst gilt unsere Abmachung nicht.«
Er sah ihr an, dass sie interessiert war, doch sie starrte zu den Fensterscheiben hinauf. Hinter dem Film aus Regenwasser waren verschwommen die traurigen Überreste des Hotelparks und der Pavillon zu sehen.
»Haben Sie etwas zum Schreiben?«
Er zog sein ledergebundenes Notizbuch aus der Brusttasche und zückte den rauchgrauen Ebonit-Füller.
Cheryl Talfeld diktierte ihm die Nummer. Auswendig.
3
An diesem Abend erlebte Allmen eine weitere Überraschung: Im Grillroom, an Hardy Freys Tisch, saß Teresa Cutress. Aus der Distanz und im gedimmten Licht des Restaurants sah sie tatsächlich aus wie ein junges Mädchen. Ihre alten Hände waren unter schwarzen Spitzenhandschuhen versteckt. Er nickte ihr zu, und sie nickte anmutig zurück.
Zum Chef de Service, der die Karte brachte, bemerkte er: »Frau Cutress sieht man hier auch nicht oft.«
»Seit ich hier arbeite noch nie.«
Frau Gondrand-Strub und ihre Schwester, Fräulein Strub, saßen an ihrem Tisch und tuschelten. Ganz offensichtlich über Teresa Cutress. Er musste ihnen mehrmals zunicken, bis sie reagierten. Vielleicht waren sie pikiert, dass er zuerst der Neuen zugelächelt hatte.
Der Grillroom war wie immer schwach besetzt, die wenigen Dauergäste, zu denen Allmen sich auch schon fast zählte, und eine Handvoll Hotelgäste. Das und die intime Beleuchtung verliehen dem Raum eine fast familiäre Atmosphäre. Das vereinzelte Geschirrklappern, das behagliche Gemurmel, die leisen Klavierläufe aus der Bar und die vertrauten Essensgerüche trugen ihren Teil dazu bei.
Allmen bestellte – passend zur heimeligen Stimmung – gefüllte Kalbsbrust mit Kartoffelpüree und verschiedenen Saisongemüsen. Das einzig Exotische war die Flasche Camins del Priorat, die er dazu wählte.
Während er auf den Wein wartete, tat er etwas, was er bei anderen Leuten nicht ausstehen konnte: Er legte das Handy neben den Teller. So konnte er es stummschalten und dennoch sehen, wenn der wichtige Anruf kam, den er erwartete.
Er hatte nach dem Geständnis von Cheryl Talfeld ein langes Telefonat mit Carlos geführt. Sie hatten besprochen, wie ihn die Handynummer von Claude Tenz zu seinem Aufenthaltsort führen könnte. Allmen hatte gehofft, Carlos würde über eine Möglichkeit verfügen, das Handy zu orten. Aber Carlos hatte ihm erklärt, dass das ohne die Hilfe der Polizei oder der Telefongesellschaft oder von beiden nicht möglich sei. Er hatte einen anderen Vorschlag:
»Sie hatten doch gesagt, Señor Rebler sei ein Geschäftsmann. Für den richtigen Preis verkaufe er das Bild.«
»Así es.«
»Una sugerencia, nada más.«
»Diga.«
»Vielleicht sollten wir doch versuchen, ihm ein Angebot zu machen. Aber nicht direkt. Über Señor Tenz.«
Der Plan bestach durch seine Einfachheit. Carlos hatte Tenz’ Nummer gewählt und festgestellt, dass ein Anrufbeantworter reagierte. Auf diesem sollte Allmen die folgende Nachricht hinterlassen: Madame Gutbauer sei bereit, einen hohen Betrag für das Bild zu zahlen, er solle bitte zurückrufen.
Allmen war sofort einverstanden. Was das Telefongespräch mit Carlos in die Länge gezogen hatte, war die Festlegung des Betrags.
Auch in dieser Frage erwies sich Carlos als der Praktischere: »Eine Million zweihundertachtzigtausend war der Hammerpreis des Bildes, bei dem sich Señor Rebler überbieten ließ. Gehen Sie doch einfach über dieses Limit hinaus.«
Allmen nahm den Vorschlag zur Kenntnis und sagte, er würde es sich überlegen.
Er überlegte nicht und bot zwei Millionen. Madame Gutbauer hatte schließlich gesagt, für sie sei das Bild unbezahlbar.
Dazu kam, dass das Honorar zehn Prozent des Wertes des Wiederbeschafften betrug.
Auch aus diesem Grund war der Anruf, den er erwartete, so wichtig.
4
Beim Dessert – hausgemachte Cassata – geschah etwas Bemerkenswertes. Teresa Cutress stand vom Tisch auf und stöckelte hocherhobenen Hauptes auf halsbrecherischen Pumps durch den ganzen Raum. Als Allmen merkte, dass sie auf ihn zusteuerte, erhob er sich und knöpfte das Jackett zu.
»Laden Sie ein durstiges Mädchen zu einem Drink ein?«, fragte sie.
Allmen bot ihr einen Stuhl an und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Die Blicke der anderen Gäste waren auf sie gerichtet. Die beiden
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