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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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abstoßende Ausgabe, die sich Hardy Frey genannt hatte und die im Speisesaal ihres Hotels sang- und klanglos gestorben war. Die Blüten waren jetzt nicht mehr ihre eigenen [13]  verschiedenen Facetten, sondern eine Versammlung der Geliebten, mit denen er sie betrogen hatte.
    In all den Jahren war das Kunstwerk der romantische Liebesbeweis eines verrückten Liebhabers gewesen. Jetzt war es ein banaler Gegenstand geworden. Ein Gegenstand mit einem Preis: drei Millionen plus ein Menschenleben.
    Dalia Gutbauer stemmte sich von der Bettkante hoch und manövrierte sich und ihr Gehgestell zum Schminktisch, dessen schwarzer Lack im schwachen Licht glänzte. Sie öffnete eine der Schubladen, entnahm ihr ein Lederetui und klappte es auf.
    Es enthielt ein Maniküreset aus Edelstahl. Sie wählte eine kleine, sehr spitze Hautschere.
    2
    Allmen hatte sein Handy wie etwas Vergiftetes so weit von sich weggeschoben, wie es die Tischplatte des kleinen Sekretärs erlaubte.
    Carlos saß vornübergebeugt in einem von Allmens ledernen Lesesesseln und hielt das Gesicht in den Händen verborgen.
    Die Sonne schien, die Rollos des Glasdachs waren heruntergelassen und tauchten die Bibliothek in ockerfarbenes Licht.
    [14]  Allmen wollte etwas Tröstendes sagen, aber es fiel ihm nichts ein.
    Nun richtete sich Carlos auf und ließ die Hände sinken. Er hatte sie so stark gegen das Gesicht gepresst, dass helle Abdrücke auf der Haut zurückblieben. »¿Qué dijeron?«, wollte er wissen.
    »Sie sagten, sie wollen das Bild.«
    »Sonst?«
    Allmen hätte sich gerne um diese Antwort gedrückt. Er suchte nach einer schonenden Formulierung.
    Aber Carlos sprach es aus: »Si no la van a matar.«
    Allmen blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.
    Carlos verbarg wieder das Gesicht in den Händen. Aber nur für einen kurzen Augenblick. Dann fragte er: »¿Cuanto tiempo tenemos?«
    Allmen zuckte mit den Schultern. Der Anrufer hatte ihm keine Frist gesetzt. Er hatte nur gesagt, Allmen solle sich bereithalten, er werde bald weitere Details erfahren. Das erklärte er Carlos. »Er sprach italienisch«, fügte er hinzu.
    »Como los gorilas del Señor Rebler«, ergänzte Carlos. Das Blut war ihm aus den Wangen gewichen, und seine braune Haut wirkte grau.
    Auch Allmen zweifelte nicht daran, dass Rebler hinter der Entführung steckte. So wenig wie daran, [15]  dass dieser auch Claude Tenz auf dem Gewissen hatte.
    Carlos kam in den Sinn, dass in dem Polizeibericht Folterspuren erwähnt wurden. »La van a torturar«, stieß er hervor und schlug wieder die Hände vors Gesicht.
    Allmen wünschte, er wäre woanders. Das alles war ihm entschieden zu ernst geworden. So hatte er sich den Beruf des Kunstinvestigators – seine momentane Lieblingsberufsbezeichnung – nicht vorgestellt. The Art of Tracing Art war eine elegante Beschäftigung, bei der er sich in Kreisen des gehobenen Geschmacks mit Kavaliersdelikten im finanziellen High-End-Bereich zu beschäftigen gedachte. Da flossen weder Blut noch Tränen.
    Dennoch beugte er sich vor und tätschelte Carlos unbeholfen die rechte Schulter.
    »¿Qué hago?«, fragte der, ohne aufzuschauen.
    Diese Frage aus dem Mund des Mannes, der immer wusste, was zu tun war, machte Allmen noch ein bisschen hilfloser. Woher sollte ausgerechnet er wissen, was zu tun war? »La Policia«, sagte er und merkte sofort, dass es mehr wie eine Frage als eine Antwort geklungen hatte.
    Carlos, in dessen Heimat bei Entführungen die Polizei oft selbst beteiligt war, hob den Kopf. Wieder zeichneten sich die Stellen ab, wo er die [16]  Handflächen gegen das Gesicht gepresst hatte. »Wenn die Entführer es erfahren, ist María tot.«
    »Wir sind nicht in Guatemala«, entgegnete Allmen. »Hier kann man der Polizei vertrauen.«
    »Nur Idioten vertrauen der Polizei«, antwortete Carlos.
    Allmen versuchte, es nicht persönlich zu nehmen.
    Carlos gab sich einen Ruck und stand auf. »Wenn die Entführer die Dahlien wollen, sollen sie die Dahlien bekommen.«
    Allmen sah ihn verwundert an. Das war keine von Carlos unverbindlich klingenden sugerencias .
    »Madame Gutbauer wird damit nicht einverstanden sein«, gab Allmen vorsichtig zu bedenken.
    »Ya veremos«, antwortete Carlos entschlossen.
    3
    Den Eames Lounge Chair hatte sich Cheryl Talfeld von ihren Eltern zum Abschluss der Hotelfachschule gewünscht. »Wozu brauchst du einen Polstersessel, bei dem Zigeunerleben, das du von nun an führen wirst?«, hatte ihr Vater sie gefragt.
    »Als Heimat«, hatte sie

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