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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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[206]  ungeschlachte Kerl vom letzten Mal. Er sah seltsam aus: Sein struppiges Haar war rosarot, und auch der Kragen seines schwarzen Hemds hatte diese Farbe.
    Einige Meter vom Fahrzeug entfernt hielt er seine Gefangene grob zurück und richtete eine Pistole gegen ihren Kopf.
    »María!«, schrie Carlos auf.
    Sie antwortete nicht. Aber man hörte ihr Schluchzen.
    Dario winkte Allmen zu sich heran. Er gehorchte und ging mit weichen Knien auf ihn zu.
    »Fermati!«, befahl er.
    Allmen gehorchte.
    »Aprilo!«
    Das Packpapier war jetzt durchnässt. Allmen entfernte es in kleinen, aufgeweichten Fetzen. Was zum Vorschein kam, roch ein wenig nach Farbe.
    Er wendete es und zeigte auf den Flicken an der Rückseite, drehte es zurück und deutete auf die wieder intakte Stelle mit der welken Dahlie. Dann deutete er zum Himmel und sagte: »Ma piove, sarebbe peccato!«
    Auch Dario fand es schade, das Bild weiter dem Regen auszusetzen. Er nahm es und trug es rasch zum Wagen zurück. Sie hörten wieder die Schiebetür, dann sahen sie ihn um den Kühler herumgehen und sich hinter das Steuer setzen.
    [207]  Langsam fuhr der Lieferwagen an. Der rosarote Mann stieß María um und rannte dem Wagen hinterher. Sie hörten das Zuschlagen der Beifahrertür und das Aufheulen des Motors.
    Aber da war Carlos schon bei María.
    Er zog ihr die Augenbinde vom Kopf und schrie: »¡No!«
    Allmen war jetzt dazugekommen. Sie blickten in die verweinten Augen einer Frau mittleren Alters.
    Aus der Ferne hörten sie die Rotoren eines Helikopters.
    17
    Die ersten Worte, die sie sagte, nachdem Carlos ihr sorgfältig das Klebeband entfernt hatte, waren: »Verdammti hueren Arschlöcher, verreckti!«
    Als Allmen ihr mit seinem Taschenmesser die Handfesseln durchschnitten hatte, wischte sie sich energisch die Tränen ab und ließ sich zum Auto führen.
    Sie befreite sich von der Pelerine. Darunter trug sie eine grüne Arbeitsuniform mit der Aufschrift: »Blumen Böner – immer schöner!« Alle vier setzten sich in den Mercedes.
    Auf dem Weg zur Arbeit sei sie an diesem [208]  Lieferwagen vorbeigekommen, der eine Panne hatte. Der Fahrer habe ihr Zeichen gemacht, und weil sie das Malergeschäft Koblar kenne, habe sie angehalten. Kurz darauf sei sie gefesselt und geknebelt mit diesem rosaroten Arschloch im Wagen gesessen. Den Rest hätten sie ja miterlebt.
    Allmens Handy klingelte. Es war Detektivwachtmeister Gobler. »Ist sie okay?«, fragte er.
    »Ja. Aber es ist nicht María.«
    Gobler verstummte kurz. Dann sagte er: »Warten Sie. Ich schicke jemanden.«
    »Haben Sie die beiden?«, rief Allmen. Aber die Leitung war schon unterbrochen.
    »Darf ich Ihr Handy benutzen, meines ist in meinem Auto«, bat die falsche María.
    Allmen gab es ihr. Von nun an telefonierte sie mit ihrem Mann, ihrem Chef und ihrer Mutter, bis ihnen auf dem schmalen Holzweg ein Geländefahrzeug der Polizei langsam entgegenkam.
    Auf dem Beifahrersitz saß die blonde Gefreite Wertlinger. Allmen und Carlos gingen ihr entgegen. »Haben Sie sie?«, fragten sie im Chor.
    Sie nickte, als wäre das selbstverständlich. »Wir mussten ein bisschen improvisieren. Aber am Waldrand sind sie uns in die Arme gelaufen.« Dann stellte sie sich der falschen María vor und führte sie zum Geländewagen.
    [209]  Carlos folgte ihr. »Weiß man etwas von Señorita Moreno?«, fragte er ungeduldig.
    »Keine Ahnung. Bis zu dem Moment, als ich losfuhr, gingen wir davon aus, dass sie bei Ihnen ist. Ich führe Sie jetzt zum Chef, vielleicht weiß man inzwischen mehr.«
    Die falsche María stieg ins Polizeifahrzeug, und Carlos ging zurück zum Taxi.
    Herr Arnold folgte dem Wagen bis zu einem kleinen Kahlschlag. Dort standen Streifenwagen, Zivilfahrzeuge, ein Mannschaftswagen, ein neutraler Kastenwagen und der Lieferwagen des Malergeschäfts.
    Zivilbeamte und Uniformierte diskutierten im Schutz einer Tanne über den Einsatz, tranken heißen Tee und rauchten. Im Kastenwagen sahen sie die beiden Italiener in Handschellen. Detektivwachtmeister Gobler und ein Zivilbeamter saßen ihnen gegenüber, vor der offenen Tür wachten zwei Beamte in dunkelblauen Kampfanzügen.
    Als Gobler die Gefreite sah, stieg er aus und ging zu ihr. Sie wechselten ein paar Worte, dann kam er zu Allmen und Carlos.
    »Die Spuren im Lieferwagen zeigen, dass dort drin jemand gefesselt und festgebunden war. Die falsche Geisel kann es nicht gewesen sein. Wie mir Frau Wertlinger gerade sagte, wurde sie erst kurz [210]  vor der Übergabe entführt und

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