Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
war immer zusammen mit einem der Entführer im Wagen.«
    »Was schließen Sie daraus?«, wollte Allmen wissen.
    »Es könnte sein, dass Frau Moreno sich selbst befreit hat und entkommen ist. Und dass die Entführer sich gezwungen sahen, als Notlösung eine andere Geisel zu nehmen. Bisher verweigern sie allerdings jede Auskunft.«
    » Disculpe , aber wie könnte sie entkommen sein?«, fragte Carlos dazwischen.
    »Wir haben im Wagen eine Spraydose gefunden, deren Farbe zur Haarfarbe eines der Verdächtigen passt.« Gobler zeigte ein winziges Lächeln und wurde sofort wieder dienstlich. »Wir haben Frau Moreno bereits zur Fahndung ausgeschrieben.«
    Allmen nahm die Information von María Morenos Selbstbefreiung mit professionellem Nicken zur Kenntnis und dachte daran, was sie sich alles hätten ersparen können.
    Die Beamten in den Kampfanzügen führten die beiden Männer an ihnen vorbei in einen Streifenwagen. Carlos starrte sie hasserfüllt an und zischte: »¡Hijos de puta!«
    Allmen hielt beide Daumen in die Höhe und lächelte dem Rosaroten anerkennend zu: »Super Frisur!«
    [211]  Fast zwei Stunden verbrachten Allmen, Carlos und Herr Arnold damit, ihre Aussagen zu Protokoll zu geben. Als Gobler sie endlich entließ, fragte Carlos: »Gibt es etwas Neues von Señorita Moreno?«
    »Sobald es etwas gibt, werden Sie es als Erster erfahren«, versprach der Wachtmeister.
    Stumm fuhren sie nach Hause, jeder tief in seinen Sorgen.
    Als sie angekommen waren und das dunkle Gärtnerhäuschen wieder lichterfüllt war, machte Carlos Feuer im Schwedenofen und ging hinauf, um sich umzuziehen.
    Ein paar Augenblicke später stand er wieder in der Bibliothek und winkte Allmen zu sich. »¡Venga, por favor!«, flüsterte er.
    Allmen folgte ihm die Treppe hinauf ins Schlafzimmerchen.
    Dort lag sie. Er sah die blutunterlaufenen Fesselspuren an den Händen und einen behelfsmäßigen Verband über dem rechten Gelenk. Sie schlief ruhig und tief.
    18
    Spät an diesem Abend – Allmen hatte Carlos mit der wiedergefundenen María allein gelassen und [212]  sich ein kleines Dinner im Promenade mit anschließendem gediegenen Absacker in der Goldenbar gegönnt – erreichte ihn Cheryl Talfeld. Er sah Cheryls Namen auf dem Display und war versucht, das Gespräch abzulehnen. Aber seine Neugier ließ es nicht zu.
    »Können Sie vorbeikommen? Madame Gutbauer möchte Sie sprechen.«
    Dazu hatte Allmen am ersten Abend seiner heißersehnten Rückkehr in sein richtiges Leben nun am wenigsten Lust. »Um diese Zeit? Kann das nicht bis morgen warten?«
    »Nein.«
    »Weshalb nicht.«
    »Weil sie morgen vielleicht nicht mehr lebt.«
    Allmen unterschrieb also die Rechnung und bestellte ein Taxi. Herrn Arnold hatte er nach diesem aufregenden Tag nach Hause geschickt.
    Der Nachtportier nickte ihm schon von weitem ernst und feierlich zu und griff zum Telefonhörer. »Frau Talfeld erwartet Sie, ich bringe Sie hinauf.«
    Der Lift brachte sie nach oben, und der Portier öffnete die Tür in die Eingangshalle. Niemand war zu sehen, nichts war zu hören.
    Der Nachtportier räusperte sich, aber nichts regte sich. »Es wird gleich jemand kommen«, sagte er und fiel in sein feierliches Schweigen zurück.
    [213]  Etwa zehn Minuten standen sie so da, dann kam Cheryl Talfeld aus dem Korridor. Die ergriffene Art, wie sie ihm die Hand gab, veranlasste Allmen zu sagen: »Dabei bin ich so rasch ich konnte gekommen.«
    Er folgte ihr durch den Korridor, vorbei am offiziellen Schlafzimmer, am Art-déco-Boudoir und am Heimkino bis zum inoffiziellen Schlafzimmer.
    Bevor Cheryl Talfeld die Tür öffnete, warf sie Allmen einen prüfenden Blick zu. »Macht es Ihnen etwas aus?«
    Er verneinte, obwohl er sich lieber gedrückt hätte. Außer als Kind die kaum in Erinnerung gebliebene Mutter und bei der Sache mit den Libellenvasen den erschossenen Antiquitätenhändler Jack Tanner hatte er noch keine Toten gesehen und hätte es auch lieber dabei belassen. Aber er folgte Cheryl in den seltsam riechenden Raum.
    Er sah aus wie auf einer Intensivstation, allerdings waren die Geräte abgeschaltet. Der Arzt saß an einem zweckmäßigen Tisch und tippte in einen Laptop. Zwei Schwestern waren mit Aufräumen beschäftigt.
    Monsieur Louis stand gedankenverloren am Fußende des Bettes, die Hände im Schritt übereinandergelegt, wie ein Fußballer in der Freistoßmauer.
    [214]  Dalia Gutbauer lag still und klein unter einem frisch aufgeschüttelten Federbett, die manikürten alten Hände

Weitere Kostenlose Bücher