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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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weiter?«
    »Nein. Er packt seine Sachen und fährt zurück nach San Francisco. Den Fall hat er an Sandy übergeben.« »Wie bitte?« Dance war empört.
    O'Neil lachte, als er ihr Gesicht sah. »Ja. Die Gerechtigkeit interessiert ihn nicht besonders. Er war nur auf eine publikumswirksame Verurteilung aus: die Mutter einer hochrangigen Polizistin.«
    »Oh, Michael.« Sie drückte erneut seinen Arm. Er legte seine Hand auf ihre und wandte den Blick ab. Seine Miene fiel Dance sofort auf. Was sah sie da? Eine gewisse Verletzlichkeit, eine Leere?
    O'Neil schien etwas sagen zu wollen und blieb dann doch stumm.
    Vielleicht eine Entschuldigung dafür, dass er sie angelogen und die Wahrheit über seine Ermittlungen zurückgehalten hatte. Er sah auf die Uhr. »Ich muss noch ein paar Dinge erledigen.«
    »He, alles in Ordnung?«
    »Ja, ich bin bloß müde.«
    Bei Dance klingelte eine Alarmglocke. Männer sind nie »bloß müde«. In Wahrheit bedeutet diese Äußerung: Nein, es geht mir gar nicht gut, aber ich will nicht darüber reden.
    »Ach, das hätte ich fast vergessen«, sagte er. »Ernie hat sich wegen des Falls in L. A. gemeldet. Der Richter hat einen weiteren Aufschub der Immunitätsanhörung abgelehnt. Sie fängt in ungefähr einer halben Stunde an.«
    Dance hob die Hände und drückte beide Daumen. »Lass uns das Beste hoffen.« Dann umarmte sie ihn.
    O'Neil zog den Wagenschlüssel aus der Tasche und lief die Treppe nach oben. Anscheinend hatte er es zu eilig, um auf den Aufzug zu warten.
    Dance schaute in die Cafeteria. Ihre Mutter saß nicht mehr am Tisch. Kathryns Schultern sackten herab. Verdammt. Sie ist weg.
    Doch dann hörte sie hinter sich die Stimme einer Frau. »Katie.«
    Edie Dance hatte den seitlichen Ausgang genommen und wahrscheinlich gewartet, bis O'Neil gegangen war. »Michael hat mir alles erzählt, Mom.«
    »Nachdem die Anklage fallen gelassen wurde, bin ich hergefahren, um die Leute zu besuchen, die mich unterstützt haben, und ihnen zu danken.«
    Die Leute, die mich unterstützt haben...
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. Aus der Lautsprecheranlage erklang eine unverständliche Durchsage. Irgendwo weinte ein Baby. Die Geräusche traten in den Hintergrund.
    Aus Edies Miene und Worten wurde Kathryn Dance nun in vollem Umfang bewusst, was im Verlauf der letzten Tage zwischen Mutter und Tochter vorgefallen war. Die Schwierigkeiten hatten nichts damit zu tun, dass sie das Gerichtsgebäude neulich so früh wieder verlassen hatte. Es ging um etwas Grundsätzlicheres. »Ich hab nicht geglaubt, dass du es getan hast, Mom«, platzte es aus ihr heraus. »Ehrlich.«
    Edie Dance lächelte. »Ach, und das ausgerechnet von dir, einer Kinesik-Expertin, Katie? Meinst du, ich merke nicht, wenn du schwindelst?«
    »Mom...«
    »Katie, du hast es für möglich gehalten, dass ich diesen jungen Mann getötet habe.«
    Dance seufzte und fragte sich, wie groß das Vakuum in ihrer Seele derzeit wohl sein mochte. Sie wollte alles abstreiten, aber dann sagte sie mit zittriger Stimme: »Vielleicht, Mom. Okay, vielleicht. Ich habe deswegen nicht weniger von dir gehalten. Ich habe dich immer noch genauso lieb gehabt. Aber, okay, ich dachte, du könntest es gewesen sein.«
    »Dein Gesicht im Gerichtssaal bei der Kautionsanhörung hat gereicht. Ein Blick auf dein Gesicht und ich wusste, dass du es für möglich hältst. Ich war mir ganz sicher.«
    »Es tut mir so leid«, flüsterte Dance.
    Dann machte Edie Dance etwas für sie völlig Untypisches. Sie nahm ihre Tochter bei beiden Schultern, und zwar mit eisernem Griff. Dance konnte sich nicht entsinnen, jemals so fest von ihr gehalten worden zu sein, nicht mal als Kind. »Wage es ja nicht, dich zu entschuldigen«, sagte sie schroff.
    Dance sah sie erstaunt an und wollte etwas erwidern.
    »Psst, Katie. Hör mir gut zu. Nach der Kautionsanhörung war ich die ganze Nacht wach und habe darüber nachgedacht, was ich in deinem Blick gesehen hatte, was du mir zugetraut hast. Lass mich ausreden. Ich war die ganze Nacht wach, verletzt und wütend. Doch am Ende ist mir etwas klar geworden. Und ich war so stolz.«
    Ein herzliches Lächeln ließ die runden Konturen ihres Gesichts weich werden. »So stolz.«
    Dance war verwirrt.
    »Weißt du, Katie«, führ ihre Mutter fort, »Eltern wissen nie, ob sie alles richtig machen. Ich bin sicher, du hast das auch schon erlebt.«
    »Oh, nur etwa zehnmal am Tag.«
    »Man hofft immer von ganzem Herzen, dass man den Kindern alles mitgibt, was sie

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