Alma Mater
Sie trug ein paar Pfunde zu viel mit sich herum, aber es war unmöglich, von Bunny Savedge McKenna nicht gefesselt zu sein.
Was Chris von Nora erspäht hatte, genügte, um eine kurvenreiche Frau Anfang dreißig mit langen Haaren zu erkennen. Sie strahlte jenes unbeschreibliche gewisse Etwas aus das Männer bemerkten und mochten, Frauen jedoch bemerkten und ablehnten – gekünstelte Weiblichkeit.
Bunny war hübsch, Nora sexy.
Chris sah Vic an, die beides in Hülle und Fülle hatte. Was sie selbst betraf, war Chris sich nicht sicher, was sie hatte – aber sie wußte, daß es ihr nie an männlicher Beachtung fehlte.
Mignon kam zurückgesprintet.
»Gut gemacht«, lobte Vic.
»Hat Tante Bun keine Handgranate geworfen?«
»Noch nicht«, sagte Jinx, dann wandte sie sich Chris zu. »Willkommen in Surry County.«
Chris lachte. »Mir gefällt’s hier.«
»Okay, Vic.« Mignon stieg vorne ein.
»Nicht okay. Chris, du sitzt vorne. Du bist der Gast.«
Dagegen konnte Mignon nichts einwenden, drum stieg sie zu Jinx auf den Rücksitz.
»Gehst du mit mir heute Abend zu dem Footballspiel? Wir spielen gegen Smithfield.«
»Nein.« Vic fuhr vom Parkplatz und winkte dabei den Leuten zum Abschied. »Hast du keine Verabredung?«
»Nein.« Mignon verzog das Gesicht.
»Was hast du gegen Buzz Schonfeld?« Jinx lächelte; sie wußte, wenn Mignon mit Buzz ginge, würde Bunny in Ohnmacht fallen.
»Sehr komisch.« Eine Pause. »Ich bin bei den Jungs nicht sehr gefragt.« Sie setzte sich aufrecht. »Chris, dich mögen sie bestimmt. Du bist schön.«
Chris wurde rot. »Danke.«
»Geh doch mit Lisa hin«, schlug Jinx vor. Lisa war ihre jüngere Schwester, auf die sie nicht allzu gut zu sprechen war.
»Vielleicht«, sagte Mignon ohne Überzeugung.
»Na komm, Mignon. Tu nicht so hilflos. Wenn du mit jemand zu dem Spiel gehen wolltest, würdest du gehen.«
Mignon zuckte mit den Achseln. Sie war ein beliebtes Mädchen, aber sie hatte mit den Hormonschüben in ihr und anderen zu kämpfen und wurde manchmal von der Ungehobeltheit ihrer Mitschüler im zweiten Highschooljahr überrumpelt.
»Kurskorrektur«, trällerte Jinx. »Heiß. Eis. Uns ist heiß…«
»…wir wollen Eis«, fielen die anderen ein.
Vic fuhr in die Stadt und steuerte die Eisdiele an. Die langen schrägen Sonnenstrahlen färbten sie alle bronzebraun, und der Wind blies Chris’ Bluse auf, die sie wegen der Hitze ohnehin schon weit aufgeknöpft hatte.
Vic bemerkte das Sonnenlicht auf Chris’ Brüsten, und unvermittelt schoß eine Flamme wie eine Eidechsenzunge durch sie hindurch. Scharlachrote Bänder entrollten sich auf dem James. Die Savedges liebten es, gemeinsam den Sommersonnenuntergang zu betrachten. Sie saßen im Halbkreis auf ihren Stühlen im Hof, der auf den frisch gemähten Rasen hinaussah und ihnen eine herrliche Aussicht bot, und plauderten über die Ereignisse des Tages.
Frank, herzlich, aber reserviert, sonnte sich in seiner Rolle als Hahn im Korb. Er fand Vics neue Freundin mit den aschblonden Haaren, der schlanken Figur, dem breiten Lächeln ungemein attraktiv. Seine Überzeugung, mit der wunderbarsten Frau seiner Generation verheiratet zu sein, hinderte ihn nicht daran, andere Frauen zu bewundern. Anders als Don McKenna fiel Frank nie von Bewunderung in Lüsternheit. Er hatte zu viele Männer gesehen, die sich damit ruiniert hatten. Er fand Schönheit grausam, wenngleich die Frauen, die sie besaßen, es nicht waren.
»… dicke fette Kuh«, faßte Mignon ihre Ansicht über Marjorie Solomon zusammen.
»Wenn du nichts Nettes sagen kannst, hältst du am besten den Mund.« Vic stützte ihre Beine auf einen Holzschemel, den sie sich mit ihrer Mutter teilte. Sie sahen fast wie Zwillinge aus.
»Ach, hör doch auf.« Mignon verdrehte die Augen himmelwärts.
»Sie hat Recht, Mignon. Du weißt nicht, was Marjorie Solomon fehlt.« Frank kaute auf einem Minzezweig, den er aus seinem Glas gefischt hatte.
»So?« Mignon erhoffte sich die Enthüllung einer Leidensgeschichte. Vielleicht litt Marjorie an Leukämie und würde in Kürze von dieser Erde scheiden, was hieß, daß sie nett zu ihr sein mußten. Oder vielleicht war ihr Vater ein heimlicher Säufer. Mignon ergötzte sich an Visionen von tiefstem Elend.
»Sie muß wegen einem Abszeß am Niednagel das Bett hüten«, sagte Jinx. Sie zog dabei die Wangen nach innen und machte ein so komisches Gesicht,
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