Almas Baby
Es wird Zeit, dass wir uns nach der Entbindung von Alma Behrend erkundigen.“
„Übrigens,“ warf Volker Lauer ein, „stell dir mal vor, du wärst hochschwanger. In welches Krankenhaus würdest du gehen, wenn du im Kreuzviertel wohnen würdest?“
„Mensch Lauer, ich und schwanger!!! Für so etwas reicht meine Vorstellungskraft einfach nicht aus,“ raunzte Hammer-Charly. „Aber ich weiß, worauf du hinaus willst. Natürlich würde ich dorthin gehen, wo’s am nächsten ist. Ein paar Schritte zu Fuß und nicht fünf bis sechs Kilometer weiter südöstlich.“
„Du würdest also ins Klinikum oder ins Johannes-Hospital gehen. Und warum sollte die hochschwangere Frau Behrend lieber in die Ferne schweifen? Das wäre doch ziemlich unsinnig.“
„Du sagst es, aber es mag Gründe privater Natur geben. Jedenfalls sollten wir erst einmal dort recherchieren, wo das Baby verschwunden ist. Alle anderen Häuser können wir später noch abgrasen,“ schlug Hammer-Charly vor.
„Und was ist mit der ärztlichen Schweigepflicht? Glaubst du, die sagen uns was, solange wir den Zusammenhang zwischen der mutmaßlich Spontangeburt von Marie Behrend und dem leider nicht wegzuleugnenden Verschwinden von Friederike Storm nicht beweisen können?“
„Hier geht es um eine Kindesentziehung. Ein Delikt, das im schlimmsten Fall mit einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren bedroht ist. Nämlich dann, wenn das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird. Und das dürfte bei einem wenige Tage alten Säugling wohl auf jeden Fall zutreffen. Das Krankenhaus muss also selbst an einer schnellen Aufklärung interessiert sein. So etwas schadet dem Image, und das können die bei dem derzeit herrschenden Konkurrenzkampf bestimmt nicht gebrauchen. Ich glaube, da drückt schon mal gern jemand ein Auge zu, zumal ja beim besten Willen keinerlei Verschulden festzustellen ist. Davor ist eben kein Haus wirklich sicher. Aber wenn es sich durch eine Vertuschung vor der Verantwortung drückt, könnte ihm das sogar als unterlassene Hilfeleistung ausgelegt werden.“
Hammer-Charly sollte recht behalten mit seiner Einschätzung über die Auskunftsbereitschaft in Dortmunder Krankenhäuser. Rund eine Stunde später stand zumindest fest: Eine Spontangeburt während einer Vorsorgeuntersuchung hatte es gestern in keiner Klinik gegeben. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Alma Behrend und Lernschwester Marion ein und dieselbe Person sein könnten, wurde gerade überprüft. Der Versuch, von Katja Storm eine brauchbare Beschreibung der angeblichen Lernschwester zu bekommen, war allerdings gescheitert. Die verzweifelte Mutter schien zu überhaupt keiner klaren Aussage fähig. Zur Zeit war eine Beamtin zu ihr unterwegs, die sich zuvor ein Foto von Alma Behrend besorgt hatte. Berthold Behrend hatte es nur widerstrebend hergegeben. Er war überzeugt, dass sich alles als großer Irrtum herausstellen würde. Und das war ja auch immer noch möglich. Das musste selbst Hammer-Charly zugeben.
Kapitel 7
Alma ruckelte nervös am Kinderwagen. Von Marie war außer dem rosafarbenen Strickmützchen praktisch nichts zu sehen. Aber man hörte ihr Weinen. Wenn sie doch nur aufhören würde. Eine ganze Nacht und den halben Tag - dass so ein Winzling das aushalten kann. „Bitte, bitte sei still“, fleht Alma.
Die Leute reagierten schon: „Na, haben Sie den kleinen Schreihals nicht ein bisschen zu warm eingepackt? Der schwitzt sich ja zu Tode bei dem Wetter.“
„Was geht Sie das an. Kümmern Sie sich um ihren eigenen Kram,“ fauchte Alma die alte Dame im Drogeriemarkt an der Kaiserstraße an. Die Frau schüttelte den Kopf. Sie hatte es doch nur gut gemeint. Alma verließ fluchtartig den Laden, ohne den Schnuller gekauft zu haben, mit dem sie Marie ruhig stellen wollte. Zu viele Leute hier. Und alle meinten es angeblich nur gut. Was ist, wenn sie jemandem begegnete, der sie kannte? In dieser Stadt lauerte an allen Ecken Gefahr. Sie würde wegziehen müssen. Am besten auswandern. Und was war mit Berthold? Seinetwegen hatte sie doch das alles unternommen. Nur seinetwegen. Sie musste nachdenken. Aber wo sollte sie sich nur in der Zwischenzeit verstecken mit ihrem Kind? Ihrem Kind? Natürlich ist Marie ihr Kind. Sie ist endlich Mutter geworden - so wie es sich Berthold immer gewünscht und ihre Schwiegermutter nicht mehr für möglich gehalten hat. Das war sie ihrem Mann schuldig. Er hat ein Recht darauf. Schließlich hatte er
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