Almas Baby
Niemand hat sie gesehen. Sie müssen etwas unternehmen. Wer macht so ’was? Warum eine Frau und ein Baby entführen, wenn keine Aussicht auf Lösegeld besteht?“
„Immer mit der Ruhe,“ beschwichtigte Hammer-Charly, „von Entführung kann zur Zeit noch gar nicht die Rede sein. Ihre Frau wird bestimmt wieder auftauchen.“
„Aber wo soll sie denn sein? Da gibt es nicht viele Möglichkeiten. Meine Frau hat keine Freunde, zu denen sie gehen könnte. Sie müssen wissen, sie ist ein ehemaliger Junkie und hat sich völlig aus der Szene gelöst.“
Hammer-Charly ließ sich nicht aus dem Konzept bringen: „Na ja, trotzdem wird es doch auch danach noch ein paar Kontakte gegeben haben. Entschuldigen Sie, aber ich muss das fragen: Hat Ihre Frau schon einmal eine Fehlgeburt erlitten?“
„Ja, aber was spielt das denn jetzt für eine Rolle? Sie hat sogar schon zweimal ein Kind verloren. Darum ist sie ja jetzt besonders vorsichtig mit dem Baby. Sie wollte mit ihm zum Arzt, aber da ist sie gar nicht angekommen. Ich hab angerufen.“
Karl Hammer und Volker Lauer spürten, wie Berthold Behrends Stimmung in Panik umschlug. Seine Verzweiflung war offensichtlich echt. Kein Mann, den man verdächtigen konnte, Frau und Kind etwas angetan zu haben. Hammer-Charly ließ sich bedächtig auf einem Stuhl nieder. Berthold Behrend saß kaum einen halben Meter von ihm entfernt auf dem Sofa. Der Kriminalhauptkommissar beugte sich trotzdem noch weiter zu ihm vor: „Wie alt ist ihr Baby?“, fragte er. Die Antwort des jungen Vaters kam ohne zu zögern: „Es ist gerade erst zur Welt gekommen. Eine Spontangeburt - gestern, völlig überraschend, während einer Vorsorgeuntersuchung. Alma war nur ein paar Stunden im Krankenhaus. Weil Mutter und Kind gesund waren, konnte sie noch am Abend mit der kleinen Marie nach Hause gehen.“ Er knetete die Hände im Schoß und lächelte verlegen: „Ich bin völlig überrascht worden. Dabei wollte ich eigentlich bei der Geburt dabei sein.“
„Sie wissen, dass gestern ein Neugeborenes entführt wurde?“, fragte Hammer-Charly und wandte den Blick nicht von seinem Gegenüber. Berthold Behrend nickte: „Ja, schrecklich. Alma und ich haben uns noch am Abend darüber unterhalten, nachdem wir die Suchaktion im Lokalfernsehen verfolgt hatten. Es muss unmittelbar passiert sein, nachdem meine Frau entbunden hat.“ Der Hauptkommissar und sein Vize wechselten Blicke. Beide dachten an die Liste. Alma Behrend und ihr Baby ließen sich darauf nahtlos einreihen. Zwei Fehlgeburten.
„Sind Sie ganz sicher, dass Ihre Frau gestern entbunden hat?“, fragte Oberkommissar Lauer. Berthold Behrend schaut ihn an, als hätte er soeben behauptet, sein Baby sei ein Alien und von Außerirdischen heimgeholt worden: „Natürlich bin ich sicher. Der Beweis hat schließlich hier in seinem Bettchen gelegen und Alma und mich die halbe Nacht wachgehalten.“ Langsam zweifelt er an der Kompetenz der Kriminalbeamten.
Karl Hammer erhob sich bedächtig und baute seine massige Gestalt vor Berthold Behrend auf. Seine Stimme bekam einen harten Klang. Er setzte auf Überrumpelungstaktik, auch wenn er sich selbst dabei nicht gerade fair vorkam: „Und was wäre, wenn Ihre Frau gar nicht schwanger war? Wenn Ihre kleine Marie in Wirklichkeit die kleine Friederike Storm ist, und Ihre Alma die angebliche Lernschwester Marion, die sich das Kind einer fremden Frau angeeignet und es in höchste Gefahr gebracht hat?“
Berthold Behrend sprang auf: „Sie sind ja wahnsinnig! Natürlich weiß ich, dass meine Frau schwanger war. Ich habe sogar die Ultraschallaufnahmen unserer Tochter gesehen. Und wo bitteschön soll mein Baby geblieben sein, wenn Alma mir ein fremdes Kind nach Hause gebracht hätte? Warum in aller Welt hätte sie überhaupt so etwas tun sollen - unser Kind eintauschen? Verlassen Sie meine Wohnung und suchen Sie verdammt noch mal meine Frau. Oder schicken sie mir jemanden, der weiß, um was es hier geht, wenn Sie dazu nicht fähig sind. Außerdem sollten Sie sich erst einmal in der Klinik erkundigen, bevor Sie einem Phantom nachjagen.“
„Wo er recht hat, hat er recht“, sinnierte Karl Hammer als sie das Haus im Kreuzviertel verließen, in dem die Behrends die zweite Etage bewohnten. Zu Volker Lauer gewandt, sagte er: „Ruf an, damit sich jemand um den Tod der alten Frau kümmert. Vielleicht steht der Treppensturz ja doch in irgendeinem Zusammenhang mit dem Verschwinden von Mutter und Kind. Wir beide fahren ins Krankenhaus.
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