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Almas Baby

Almas Baby

Titel: Almas Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Fuessmann
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so hatte sie sich ihr Leben erträumt. Nichts sollte sie mehr von all den anderen unterscheiden, die sich auf dem Saarland-Straßen-Fest amüsierten. Sie wollte nur eine von vielen sein. Nichts als Alltäglichkeit. Sie saß auf der Holzbank neben dem Bierstand. Der Mann am Tisch ihr genau gegenüber, hob seinen Glaskrug und stieß ihn leicht gegen ihren. „Auf uns“, sagte er. „Schön, dass wir uns begegnet sind.“
    Die Sonne wärmte ihr den Rücken. Es schien, als würde ihr nie wieder kalt werden. Das Bier schmeckte leicht bitter. Vor langer Zeit - oder war es noch gar nicht so lang her? Egal. Jedenfalls damals, als Alma noch getrunken hatte, war sie an den beißenden Geschmack von Schnaps gewohnt. Fusel vom Kiosk, abgefüllt in kleinen Flaschen, die sie in der Szene Zündkerzen nannten. Billiger Ersatz, wenn das Geld mal wieder nicht für den erlösenden Schuss Heroin reichte, weil die Freier auf dem Straßenstrich sich nur zu gut darauf verstanden, die Elendsgestalten der Junkies herunter zu handeln. Angeschlagene Ware. Genau das ist sie gewesen. Nichts wert. Alma die Fixerin, Alma die Säuferin, Alma die billige Nutte.
    Von all dem hatte sie dem jungen Mann nichts erzählt, der sie am Mittag auf dem Saarlandstraßenfest vor dem Bratwurststand versehentlich angerempelt hatte. Warum auch? Es war ja alles vorbei. Lang, lang ists her. War das nicht ein Refrain zu irgendeinem bekannten Lied?
    Sie kamen ins Gespräch. „Wohnen Sie hier? Ich habe Sie noch nie gesehen,“ fragte er. Alma leckte einen Klecks Senf vom Finger: „Ich bin erst letzte Woche eingezogen.“ Sie wies auf den renovierten Altbau hinter sich. „Erste Etage, zwei Zimmer mit Bad und Etagenheizung. Da kann man es warm haben, wann immer man will.“
    Ihr Gegenüber nickte kauend. Sie war sich sicher: Er hatte es in seinem Leben immer warm gehabt. Die Straße kannte er nur als Weg zur Arbeit oder als Flaniermeile. Straße eben. Etwas, wo man sich im besten Fall gern aufhielt. So wie jetzt beim Fest. Aber nichts, um dort zu kampieren. Als etwas, das einem das Zuhause ersetzen musste.
    Ein Tropfen Wurstfett glänzte an seinem Kinn. Alma nahm ihre Serviette und wischte ihn ab. „Tschuldigung.“ Sie wirkte verlegen. Vielleicht würde er diese Geste als zu intim empfinden.
    Er lachte nur: „Wieso denn. Ich muss mich bedanken. Ich wohne übrigens auch hier - weiter dahinten und dann um die Ecke.“ Er wedelte mit der freien Hand in die andere Richtung. Es sah aus, als winke er jemandem. Alma war glücklich. Er war genau der Mann, von dem sie geträumt hatte, seit sie aus der Therapie zurück war. Gut aussehend - oder besser gesagt sympathisch, mit dem ein wenig strubbeligen dunklen Haarschopf, in Jeans und blauem Sweatshirt. Zuverlässig, bürgerlich. Eben genau der Typ, bei dem man die Vergangenheit vergessen konnte. Alles schien ideal. Selbst die dröhnenden Hits von rechts und links mit den naiv-verlogenen Texten von Liebe und Glückseligkeit wirkten auf Alma wie eine Art Sphärenmusik.
    Und dann erzählte er ihr auf dem Weg zur Musikbühne, dass er als Beamter im Jugendamt arbeite. Von einer Sekunde auf die andere schien plötzlich eine erbarmungslose Faust alle Hoffnungen aus ihr herauszupressen. Sie schauderte. So, als habe ihr jemand Eiswürfel in den Kragen gesteckt. Das machten die Leute manchmal, wenn sie miteinander herum alberten. Aber hier wurde nicht gealbert. Ihre Akte beim Gesundheitsamt. Früher oder später würde Berthold davon erfahren.
    Die Band spielte ausgerechnet „Lucky day“. Ein Hit von Sasha, der hier in Dortmund seine Karriere gestartet hatte. Alma warf die Reste ihrer Wurst in einen Papierkorb, wischte die Hände an den Jeans ab und holte tief Luft: „Mit Ämtern habe ich Erfahrung. Gute übrigens. Ich war mal ein Junkie, da haben mir die Beamten vom Sozialamt und vom Gesundheitsamt sehr geholfen.“
    Und nun? Ihr war ein wenig schwindelig, nachdem sie ihm in den wenigen Sätzen quasi ihr ganzes Leben vor die Füße geworfen hatte. Aber besser so, als darauf zu warten, dass er von selbst dahinter kommen würde. Sie schaute krampfhaft nach oben. In den Himmel, wo eine Windbö gerade eine kleine weiße Wolke vorbei trieb. Sie segelte langsam wie ein Schiffchen aus Papier, das man im Bach aussetzen konnte, damit es sich mit der Strömung davon machte. Alma hatte als Kind immer fest daran geglaubt, dass es auch alle Probleme mit sich davon tragen würde. Mädchenkram.
    Und nun saßen sie sich hier am Bierstand

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